Trendfolger 6/2014
Europawahl: Ruhe vor dem Sturm - Seite 4
EU-Skepsis und Separatismus europaweit auf dem Vormarsch
Wer im Internet ein wenig recherchiert, wird schnell feststellen, dass EU-kritische und separatistische Parteien in vielen Staaten auf dem Vormarsch sind: In Belgien hat die für eine von Belgien
unabhängige Republik Flandern eintretende Neu-Flämische Allianz (N-VA) gute Aussichten, erneut stärkste Partei zu werden. In Flandern selbst dürften N-VA und die rechtsgerichtete Vlaams Belang (
Flämische Interessen, VB ) zusammen auf rund 40% kommen. In Italien fordern gleich mehrere Parteien, die bei der Europawahl zusammen auf rund 60% der Stimmen hoffen können, den Austritt des Landes
aus dem Euro oder zumindest eine Volksabstimmung darüber. Insbesondere die vom ehemaligen Komiker Beppe Grillo geführte 5-Sterne-Bewegung (M5S, Umfragen bei 22-23%) weist dabei – anders als UKIP
oder AfD – durchaus gewisse faschistoide Züge auf. In Venetien setzt sich die Regionalregierung für ein Referendum über die Unabhängigkeit von Italien ein . Am 18. September wird in Schottland über
die Unabhängigkeit von Großbritannien abgestimmt. In Spanien beabsichtigt die katalanische Regionalregierung, am 9. November 2014 ein Referendum über die politische Zukunft Kataloniens abzuhalten.
All das sind Belege dafür, dass die Wähler „an der Basis“ dem Brüsseler Zentralismus („mehr Europa“) längst den Rücken gekehrt haben und zunehmend für eine größere Unabhängigkeit ihrer Nationen und
Regionen eintreten.
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Sprung nach vorn in Richtung Bundesstaat Europa oder Auflösung der Euro-Zone
In einem auf den Seiten des Internationalen Währungsfonds veröffentlichten, sehr lesenswerten Artikel schreibt der Ire Kevin Hjortshoj O`Rourke, Professor für Wirtschaftsgeschichte in Oxford, dass
die Europäische Währungsunion vor einer fundamentalen Entscheidung stehe: Entweder müssten die für den Erhalt der Währungsunion unabdingbaren, bundesstaatlichen Einrichtungen bald geschaffen werden
oder die Euro-Zone würde zerfallen. Wenn der politische Wille zum Bundesstaat fehle, dann sei eine finale Euro-Krise unausweichlich und in diesem Fall sei es doch das Beste, wenn diese angegangen
werde, solange eurofreundliche Kräfte noch an den Hebeln der Macht säßen. Auf jeden Fall sei es sinnlos, so O`Rourke, diese unausweichliche Entscheidung ewig hinauszuzögern. „Falls der Euro
fallengelassen werde“, so O`Rourke, „dann lautet meine Prognose, dass sich Historiker in 50 Jahren darüber wundern werden, wie es überhaupt jemals zu seiner Einführung kommen konnte.“