Hüfners Wochenkommentar
"Die neue Eurokrise" - Seite 2
Auf den Devisenmärkten sinkt das Vertrauen in den Euro. Es ist noch gar nicht so lange her, dass es große Kapitalströme aus den USA in den Euro gab. Hedge-Fonds und andere wollten von den strukturellen Verbesserungen in den Schuldnerländern der Peripherie profitieren. Jetzt verlieren sie das Vertrauen. Sie machen Kasse und transferieren das Geld zurück nach Amerika. Der Euro/Dollar-Kurs sinkt. Das ist zwar gut für die Exporteure, aber schlecht für die europäischen Kapitalmärkte.
Ein weiteres Vertrauensproblem könnte durch den Stresstest bei den europäischen Banken entstehen.
Die Ergebnisse werden im Herbst bekannt gegeben.
Es würde mich nicht überraschen, wenn das eine oder andere Institut schlechter abschneidet als derzeit erwartet. Das hätte negative Auswirkungen auf die ohnehin schwache Kreditgewährung in
Europa.
Unter diesen Umständen kommt die Politik unter Druck, die Wirtschaft noch mehr zu stützen. EZB-Präsident Draghi hat bei seiner Rede in Jackson Hole entsprechende Erwartungen geschürt. Das Problem in der
Geldpolitik ist jedoch, dass die Maßnahmen vom letzten Juni noch gar nicht ganz umgesetzt sind. Das angekündigte langfristige Refinanzierungsprogramm T-LTRO wird erst im September anlaufen.
Niemand weiß, wie
es wirken wird. Da kann die EZB nicht guten Gewissens gleich noch anfangen, Staatsanleihen zu kaufen.
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Wenn die Geldpolitik nicht mehr tun kann, blickt die Welt auf die Fiskalpolitik. Italien und Frankreich möchten das Erreichen der Defizitziele zeitlich nach hinten schieben. Von Deutschland werden zusätzliche Impulse gefordert. Der Abbau der Verschuldung, der so wichtig war, um Vertrauen wiederzugewinnen, droht auf die lange Bank geschoben zu werden. Jetzt hat sich selbst EZB-Präsident Draghi dafür ausgesprochen, die Fiskalpolitik expansiver zu gestalten und ein Investitionsprogramm zu lancieren.
Für den Anleger
Die wichtigste Auswirkung dieses Umfelds ist, dass wir Abschied nehmen müssen von der Einschätzung, dass die Zinsen zu niedrig sind und dass sie bald wieder ansteigen werden. Kurzfristige
Zinsen bleiben zunächst einmal niedrig. Langfristige Renditen können – obwohl sie bei Bundesanleihen schon unter 1 Prozent gefallen sind
– noch weiter zurückgehen. In der Schweiz und in Japan liegen die vergleichbaren Sätze bei 0,5 Prozent und weniger. Störungen können freilich aus den USA kommen, wenn es dort die ersten
Zinserhöhungen gibt und sich diese auch auf die Bonds-Märkte auswirken.
Auf den Aktienmärkten in Europa ist das Bild gemischt. Auf der einen Seite werden die Unternehmensgewinne nicht mehr so stark zunehmen. Es wird nicht mehr so viel Käufe von Ausländern geben. Auf der anderen Seite sind Aktien bei den niedrigen Zinsen "alternativlos". Zusätzliche politische Impulse helfen auch den Aktien. Ich rechne unter diesen Bedingungen eher mit einer Schaukelbörse (in einer Range von 9.000 bis 10.000 beim DAX).
Der Wechselkurs des Euros müsste sich weiter abschwächen. Damit werden ausländische Aktien und Bonds attraktiver.
Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.
von Martin Hüfner, Assenagon
© 20. August 2014
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem "Europa – Die Macht von Morgen" (2006), "Comeback für Deutschland" (2007), "Achtung: Geld in Gefahr" (2008) und "Rettet den Euro!" (2011).