Bauspar-Skandal
Bausparkassen kündigen tausende Altverträge - Verbraucherschützer schlagen Alarm!
„Auf diese Steine können Sie bauen“, verspricht Schwäbisch Hall, die Nummer eins der deutschen Bausparkassen, seit den 60ern. Aber anstatt auf Steine, bauen viele Bausparer inzwischen lieber auf die dazugehörigen Zinsen. Diese sind bei älteren Bausparverträgen nämlich wesentlich lukrativer als in der sonstigen heutigen Niedrigzinswelt. Den Bausparkassen gefällt das gar nicht. Sie wollen die lästigen Altverträge loswerden – und erhalten dabei Unterstützung von der Bankenfinanzaufsicht (BaFin).
Bausparen ist ohne Frage das Sinnbild der deutschen Sparmentalität. „Heute schon an morgen denken“ - nirgendwo ließ sich diese Philosophie besser in die Tat umsetzen als hier. Um den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen, schlossen viele Deutsche einen Bausparvertrag ab. Dieser sicherte ihnen zu: Sobald du eine bestimmte Menge angespart und damit die Sparphase erfolgreich abgeschlossen hast, wird dir in der Zuteilungsphase ein Bauspardarlehen in Aussicht gestellt. Dieses kannst du zur Finanzierung deines Eigenheims in Anspruch nehmen und in der Darlehensphase zu einem vertraglich vereinbarten Zins wieder abstottern.
Niedrigzinswelt stellt Bausparprinzip auf den Kopf
So funktioniert das Prinzip Bausparen. Oder besser funktionierte. Denn die heutige Niedrigzinswelt lässt nicht nur das Sparen zur Bankrotterklärung werden (siehe hier), sie stellt überdies auch das gute alte Bausparen auf den Kopf. Der Grund: Altverträge garantieren Kunden Zinsen auf ihr Sparguthaben, von denen sie anderswo nur träumen können. Wieso also auf die Zinsen verzichten, denken sich vielen Bausparer und lassen sich das Baudarlehen einfach nicht auszahlen. Stattdessen sparen sie einfach weiter und die Bausparkasse, ob sie will oder nicht, muss dies mit überdurchschnittlich hohen Zinsen belohnen.
BaFin will Kündigung von Altverträgen erleichtern
So erfreulich das für die Kunden ist, so ärgerlich ist das neue Prinzip Bausparen für die Bausparkassen. Sie ächzen unter der Last der vertraglich zugesicherten Guthabenzinsen. Das rief zuletzt die Bankenfinanzaufsicht (BaFin) auf den Plan. Wie die „WirtschaftsWoche“ berichtete, fürchtet die BaFin, die Kassen könnten aufgrund dieser Altverträge in Schieflage geraten. Sie empfiehlt daher dem Bundesfinanzministerium, das Bausparkassengesetz so zu ändern, dass die älteren Verträge leichter gekündigt werden können. Klaus Nieding ist entsetzt über dieses Vorgehen: Die BaFin verletze ihre Neutralität und handle hier in gravierender Weise zu Lasten der Verbraucher, kritisiert der Anwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Kündigungswelle rollt
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Die Bausparkassen interessiert das herzlich wenig, sie jubeln ob der prominenten Unterstützung. Mit der BaFin im Rücken räumen immer mehr Anbieter gehörig auf. „Die Kündigungswelle rollt“, schreibt das „Handelsblatt“ in seiner Montagsausgabe und berichtet von tausenden Kündigungsbriefen, die den Kunden derzeit ins Haus flattern. So habe allein die LBS Bayern bereits 26.000 Kündigungen ausgesprochen, weitere 300.000 Kunden sollen in neue Tarife gedrängt werden. Bei der LBS West stehen 20.000 gekündigte Verträge in den letzten Jahren im Buch, 13.300 davon allein in diesem Jahr. Die LBS Nord sagte gegenüber dem „Handelsblatt“, man habe diesbezüglich rund 12.000 Kunden angeschrieben und ihnen einen Wechsel in die aktuellen Tarife angeboten. Im Fall der LBS Schleswig-Holstein Hamburg seien 2015 rund 3.500 Verträge betroffen. Die anderen Bausparkassen, darunter die privaten Kassen BHW und Wüstenrot, würden aktuell über solche Kündigungen „nachdenken“ bzw. entsprechende „Optionen prüfen“. Lediglich Schwäbisch Hall versichert, es gebe derzeit keine Pläne, nicht voll besparte Bausparverträge zu kündigen.
Rechtmäßigkeit der Kündigungen umstritten
Was heißt das für die betroffenen Kunden von Bausparverträgen? Fakt ist: Bausparkassen und Verbraucherschützer streiten darüber, ob die Kündigung von Altverträgen gegen das Gesetz verstoße oder nicht. Die Kassen berufen sich darauf, gemäß Paragraf 489 Abs. 1 Nr. 2 des BGB das Vertragsverhältnis kündigen zu dürfen, sofern der Kunde länger als zehn Jahre auf seinen Darlehensanspruch verzichtet hat. Bislang war es gängige Praxis unter Bausparkassen, vor allem so genannte „übersparte Bausparverträge“ zu kündigen. Dabei handelt es sich um Verträge, bei denen das Guthaben die Bausparsumme überschritten hat.
Verbraucherschützer halten die Rechtmäßigkeit dieser Kündigungen allerdings für fragwürdig. So urteilte das Oberlandesgericht Stuttgart im Jahr 2011, dass „der Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehen möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt“ (AZ 9 U 151/11). Klaus Nieding rät betroffenen Kunden deshalb, gegen eine erhaltene Kündigung vorzugehen und Widerspruch einzulegen.