Dummes Gerede von der Belastung nachfolgender Generationen
Manchmal läuft man so lange den falschen Weg, dass man sich in dem Moment, in dem man es merkt, unglaublich ärgert, dass man nicht früher darauf gekommen ist. Genauso ist es auch bei
wissenschaftlichen Theorien in wirtschaftlichen Bereich. Wie konnte ich nur so lange an diesen oder jenen Unsinn glauben, ärgere ich mich heute. Das ist doch so offensichtlich falsch, dass man sich
selbst eigentlich peitschen müsste, es so lange geglaubt zu haben.
Über viele derartige Themen habe ich an dieser Stelle schon geschrieben. Heute möchte ich ein neues beginnen, das mir erst neulich anlässlich eines Artikels von Heiner Flassbeck in der FTD vom 24.7.2003 klar geworden ist. Die herrschende Meinung bei uns besagt, dass höhere Staatsausgaben, die über Staatsschulden finanziert werden, der gegenwärtigen Generation zu Gute kommt, jedoch von den späteren Generationen einmal als Last getragen werden muss. Allgemein ausgedrückt: Staatsschulden sind die Verteilung von Lasten auf nachfolgende Generationen. Das klingt plausibel. Ich habe es auch über Jahrzehnte geglaubt. Doch bereits ein sehr einfacher Blick zeigt, dass das vollkommener Unsinn ist.
Betrachten wir dazu einmal nur die Schuldtitel des Staates – und vernachlässigen wir, was mit dem Geld gemacht wird. (Würden wir das noch tun, sähe sowieso alles noch günstiger aus.) Gibt der Staat neue Anleihen heraus, so werden zukünftige Generationen mit ihren Steuern für Zins und Tilgung dieser Anleihen aufkommen müssen. Das ist richtig. (Wobei es eine Tilgung der Staatstitel ja eigentlich nicht gibt. Sie werden stets weiter prolongiert und ebenso wie die Anleihen eines Industrieunternehmens netto niemals zurück gezahlt.)
Die spätere Generation spürt also die Last dieser Verbindlichkeit auf sich und muss zumindest für die Zinsleistung aufkommen. Doch wem fließen diese Zinsen später eigentlich zu? Und wer ist später einmal der Gläubiger dieser Titel? Genau – ES IST DIE NACHFOLGENDE GENERATION SELBST! Denn genauso wie die Last der Zinszahlungen, so vererben sich auch die Bundesanleihen selbst. Und das, was auf den ersten Blick wie eine Lastenverschiebungen auf spätere Generationen aussieht, entpuppt sich dabei als Verteilungsproblem innerhalb jeder Generation. Jede Generation zahlt für sich die Zinsen auf die Staatsschuld an sich selbst. Nettoergebnis: jeweils null!
Hier kann man nun natürlich trefflich argumentieren, dass so die Reichen immer reicher werden, doch das trifft wohl kaum den Kern. Denn erstens weiß heute niemand, welchen Progressionsgrad das Steuersystem in zwanzig Jahren haben wird, welche Gruppen also wieviel Steuern zu zahlen haben. Und zweitens, wenn die Anleger von heute keine Bundesanleihen kaufen würden, dann würden sie eben andere Anleihen kaufen und daraus das selbe Zinseinkommen generieren wie aus den Bundesanleihen.
Und auch die Annahme, dass große Teile der deutschen Staatsschuld im Ausland liegt, ändert am hier Gesagten nichts. Denn Ausländer unterscheiden sich von uns vielleicht durch Sprache und Hautfarbe, nicht jedoch durch die Generationszugehörigkeit. Und zweitens: Die Bundesrepublik ist ein Netto-Exportland, was bedeutet, dass die Inländer netto Forderungen gegen die Ausländer erwerben. Der Saldo steht also auf der anderen Seite. Dass viele Staatstitel Ausländern gehören, ändert also nichts an der Tatsache, dass die Bundesbürger stets mehr Forderungen gegenüber Ausländern aufbauen als es umgekehrt der Fall ist.
Das, was vermeintlich ein intergeneratives Problem ist, entpuppt sich also als nichts anders als die reine Fortschreibung des derzeitigen Verteilungsstands in die Zukunft. Es sei denn, der Staat macht einmal pleite. Doch dann wäre die Verteilungsgerechtigkeit plötzlich so groß wie nie zuvor. Weil dann nämlich die Masse von der Zinslast befreit und die Halter der Staatstitel gezwungen wären, ihre Papiere abzuschreiben. Und sind beide Gruppen sogar identisch, dann wäre selbst so ein epochaler Ausbruch wie ein Staatsbankrott letztlich beinahe ein Nichtereignis.
berndniquet@t-online.de
Über viele derartige Themen habe ich an dieser Stelle schon geschrieben. Heute möchte ich ein neues beginnen, das mir erst neulich anlässlich eines Artikels von Heiner Flassbeck in der FTD vom 24.7.2003 klar geworden ist. Die herrschende Meinung bei uns besagt, dass höhere Staatsausgaben, die über Staatsschulden finanziert werden, der gegenwärtigen Generation zu Gute kommt, jedoch von den späteren Generationen einmal als Last getragen werden muss. Allgemein ausgedrückt: Staatsschulden sind die Verteilung von Lasten auf nachfolgende Generationen. Das klingt plausibel. Ich habe es auch über Jahrzehnte geglaubt. Doch bereits ein sehr einfacher Blick zeigt, dass das vollkommener Unsinn ist.
Betrachten wir dazu einmal nur die Schuldtitel des Staates – und vernachlässigen wir, was mit dem Geld gemacht wird. (Würden wir das noch tun, sähe sowieso alles noch günstiger aus.) Gibt der Staat neue Anleihen heraus, so werden zukünftige Generationen mit ihren Steuern für Zins und Tilgung dieser Anleihen aufkommen müssen. Das ist richtig. (Wobei es eine Tilgung der Staatstitel ja eigentlich nicht gibt. Sie werden stets weiter prolongiert und ebenso wie die Anleihen eines Industrieunternehmens netto niemals zurück gezahlt.)
Die spätere Generation spürt also die Last dieser Verbindlichkeit auf sich und muss zumindest für die Zinsleistung aufkommen. Doch wem fließen diese Zinsen später eigentlich zu? Und wer ist später einmal der Gläubiger dieser Titel? Genau – ES IST DIE NACHFOLGENDE GENERATION SELBST! Denn genauso wie die Last der Zinszahlungen, so vererben sich auch die Bundesanleihen selbst. Und das, was auf den ersten Blick wie eine Lastenverschiebungen auf spätere Generationen aussieht, entpuppt sich dabei als Verteilungsproblem innerhalb jeder Generation. Jede Generation zahlt für sich die Zinsen auf die Staatsschuld an sich selbst. Nettoergebnis: jeweils null!
Hier kann man nun natürlich trefflich argumentieren, dass so die Reichen immer reicher werden, doch das trifft wohl kaum den Kern. Denn erstens weiß heute niemand, welchen Progressionsgrad das Steuersystem in zwanzig Jahren haben wird, welche Gruppen also wieviel Steuern zu zahlen haben. Und zweitens, wenn die Anleger von heute keine Bundesanleihen kaufen würden, dann würden sie eben andere Anleihen kaufen und daraus das selbe Zinseinkommen generieren wie aus den Bundesanleihen.
Und auch die Annahme, dass große Teile der deutschen Staatsschuld im Ausland liegt, ändert am hier Gesagten nichts. Denn Ausländer unterscheiden sich von uns vielleicht durch Sprache und Hautfarbe, nicht jedoch durch die Generationszugehörigkeit. Und zweitens: Die Bundesrepublik ist ein Netto-Exportland, was bedeutet, dass die Inländer netto Forderungen gegen die Ausländer erwerben. Der Saldo steht also auf der anderen Seite. Dass viele Staatstitel Ausländern gehören, ändert also nichts an der Tatsache, dass die Bundesbürger stets mehr Forderungen gegenüber Ausländern aufbauen als es umgekehrt der Fall ist.
Das, was vermeintlich ein intergeneratives Problem ist, entpuppt sich also als nichts anders als die reine Fortschreibung des derzeitigen Verteilungsstands in die Zukunft. Es sei denn, der Staat macht einmal pleite. Doch dann wäre die Verteilungsgerechtigkeit plötzlich so groß wie nie zuvor. Weil dann nämlich die Masse von der Zinslast befreit und die Halter der Staatstitel gezwungen wären, ihre Papiere abzuschreiben. Und sind beide Gruppen sogar identisch, dann wäre selbst so ein epochaler Ausbruch wie ein Staatsbankrott letztlich beinahe ein Nichtereignis.
berndniquet@t-online.de