Griechenland - Referendum
Ist „der letzte Sirtaki“ getanzt? – Ökonomen rechnen nach Referendum mit Grexit
Nach dem Referendum ist vor dem Grexit – zumindest, wenn man der Mehrheit der Ökonomen in Deutschland Glauben schenkt. Egal ob Befürworter oder Kritiker eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone:
Bereits im Vorfeld des Referendums hatte wallstreet:online berichtet, dass führende Ökonomen für ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone sind. Nach dem Referendum dürfte sich daran wenig geändert haben. Der Unterschied: Mehr Ökonomen denn je rechnen damit, dass der Grexit politische Realität wird. Das berichtet die Nachrichtenagentur "Reuters".
Allen voran natürlich ifo-Präsident Hans-Werner Sinn, der schon seit Längerem für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro eintritt. Er verwies auf die technische Zahlungsunfähigkeit Griechenlands: „Griechenlands Staat ist nach der offiziellen Feststellung des Rettungsschirms EFSF insolvent“. Damit seien auch die Banken insolvent, so Sinn. Er warnt die EZB deshalb vehement davor, weitere Notkredite zu gewähren. Stattdessen fordert der ifo-Chef eine sofortige Einführung der Drachme als „virtuelle Währung“.
Sinn: Rückkehr zur Drachme an nur einem Wochenende möglich
Bereits in der vergangenen Woche hatte wallstreet:online berichtet, dass eine Rückkehr Griechenlands zur Drachme laut Sinn ganz schnell gehen könnte: Ein Wochenende würde ausreichen, um zur Drachme zurückzukehren, so Sinn. Er plädiert dafür, zunächst eine Parallelwährung einzuführen und mit dieser dann Schritt für Schritt den Euro als Währung zu ersetzen.
Besorgt über die Situation in Griechenland zeigte sich der DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Er bezeichnete das Nein-Votum der Griechen als „eine politische und wirtschaftliche Katastrophe für Griechenland“, da Griechenland nun „in eine noch tiefere Depression abgleiten“ werde. Auch die Arbeitslosigkeit dürfte weiter steigen, glaubt Fratzscher. Sein Ausblick ist verheerend: Er erwarte nicht nur „einen kompletten Zusammenbruch des griechischen Bankensystems“, sondern – ähnlich der Forderung von ifo-Chef Sinn – auch die „Einführung von staatlichen Schuldscheinen“. Fratzschers Fazit: „Ein Grexit ist und bleibt die schlechteste Option für Griechenland, aber sie wird immer wahrscheinlicher.“
Ökonomen einig in ihrer Grexit-Erwartung
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Die Anliegen insbesondere von Fratzscher und Sinn könnten gegensätzlicher kaum sein: Während Sinn vehement für den Grexit als Lösung eintritt, bezeichnet Fratzscher ihn als „die schlechteste Option für Griechenland“. Und dennoch haben beide Ökonomen eines gemein: Sie rechnen immer stärker damit, dass es zum Grexit kommt. Und damit sind sie nicht allein.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, stellte klar, dass in der jetzigen Situation nach dem Referendum mit einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu rechnen sei. Und Krämer präzisierte, er glaube nicht, dass die Regierung in Athen überhaupt eine richtige Wahl habe. Zu groß seien die finanziellen Hürden der kommenden Wochen. Ohne neue Hilfsgelder bleibe Griechenland nur der Grexit, um die Zahlungsfähigkeit auf der Basis einer neuen Währung zurückzugewinnen.
Ähnlich wie Krämer, Fratzscher und Sinn gehen auch die Chefvolkswirte von BayernLB und Allianz, Jürgen Michels respektive Michael Heise mehr denn je davon aus, dass der Grexit zur Realität wird. Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank stellte zwar klar, dass der Grexit „noch nicht abgemacht Sache“ sei, doch gestand zugleich ein, dass der Austritt Griechenlands „mittlerweile durchaus vorstellbar“ sei. Auch Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann erklärt, dass der Grexit durch das Nein-Votum wahrscheinlich geworden sei und fragt, ob die Feierlichkeiten am Abend nach dem Referendum bereits „der letzte Sirtaki“ gewesen sind?