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    Geldpolitik  2848  0 Kommentare Systemversagen - "Die Eiszeit hat uns fest im Griff" - Seite 2


    Im Lichte dieser Kriterien könnte man das Bestehen einer Blase heute leicht leugnen. Von Euphorie kann keine Rede sein, einen Boom haben wir auch nicht erlebt. Lediglich ein paar gute Jahre an den Aktienmärkten, die den Einbruch der Jahre 2008/2009 korrigiert haben. Kritische Stimmen zum Zustand der Realwirtschaft und zur Bewertung von Finanzassets, vor allem US-Aktien gibt es zuhauf. Niemand findet negative Zinsen für 10jährige Bundesanleihen und auf dem Bankkonto „euphorisierend“. Im Gegenteil: wir alle wissen, es ist etwas fundamental faul in der Welt, in der Eurozone und an den Finanzmärkten.

    Dennoch sehen wir ein wichtiges Symptom der Euphoriephase sich breitmachen: die Sorglosigkeit. Wir alle gehen davon aus, dass die Notenbanken uns immer wieder retten. Vermögenspreise dürfen nicht fallen, weil dann die Wirkungslosigkeit der Notenbankpolitik überdeutlich würde, und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wird es um jeden Preis verhindert werden. Jede potentielle Krise –  sei es der Brexit, seien es italienische Banken, sei es Konjunkturabschwächung in den USA – wird mit noch mehr Geld und noch tieferen Zinsen bekämpft. Was kann da schon schiefgehen?

    Die Eiszeit hat uns fest im Griff und nur mit einer Politik des billigen Geldes haben die Notenbanken bis jetzt die Kernschmelze des Finanzsystems und eine weltweite großen Depression verhindert. Dabei haben die Notenbanken eine gigantische Put-Option geschrieben. War es früher der „Greenspan-Put“, also die von den Börsianern implizit und nicht zu unrecht erwartete Bereitschaft der US-Fed, sie bei Turbulenzen herauszuholen, so ist es heute der Kuroda-Dragi-Yellen-Carney-Jordan-Put. Gemeinsam tun sie alles, um den gigantischsten Margin-Call der Weltgeschichte zu verhindern.

    Noch funktioniert dies leidlich, können doch die Notenbanken unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellen. Was müsste passieren, damit dieses System versag? Das Szenario eines Politikwechsels, also einer Annullierung des Puts der Notenbanken ist äußerst unwahrscheinlich. Dazu dürfte den Akteuren der Mut fehlen, und in der Eurozone ist die Politik – allen anderslautenden Lippenbekenntnissen zum Trotz – heilfroh, dass die EZB das Schuldengebäude vor dem Einsturz bewahrt. Bleibt die Sorge vor einem Vertrauensverlust in das System. Nicht in Form einer Inflation, sondern in der Anerkenntnis, dass die Notenbanken eben nur Zeit kaufen konnten. Das Problem der Überschuldung konnten und können sie nicht lösen. Dann käme es trotz des Puts zur deflationären Welle von Pleiten und Konkursen. Ein Szenario, in dem man lieber keine Assets hält, die einem Ausfallrisiko unterliegen. 


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    Daniel Stelter
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    Dr. Daniel Stelter ist Makroökonom und Gründer des Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Von 1990 bis 2013 war Stelter Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group (BCG), wo er von 2003 bis 2011 weltweit das Geschäft der BCG Praxisgruppe Corporate Development (Strategie und Corporate Finance) verantwortete.

    Er ist Autor mehrerer Bücher. Sein aktuelles Buch „Das Märchen vom reichen Land - Wie die Politik uns ruiniert“ war auf der SPIEGEL Bestsellerliste. Twitter: @thinkBTO
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    Verfasst von Daniel Stelter
    Geldpolitik Systemversagen - "Die Eiszeit hat uns fest im Griff" - Seite 2 „Diesmal ist alles anders“ sind bekanntlich die vier gefährlichsten Worte an den Finanzmärkten. Heute heißt es „Die Notenbanken retten alle“. Das kann genauso gefährlich sein.

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