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     3367  0 Kommentare Jackson Hole – mehr unkonventionelles - Seite 2

    John Williams, Chef der Fed von San Francisco, sieht den natürlichen Zinssatz, der bei einer Wirtschaft auf Potenzialwachstum weder expansiv, noch kontraktiv wirkt, für die nächsten Jahre als sehr niedrig an. In den USA läge er um Null, in der Eurozone und in Japan sei er negativ. Vor einer Dekade lag er in den entwickelten Volkswirtschaften noch bei 2,5% bis 3,5%. Verantwortlich dafür seien eine Reihe von säkularen Faktoren, u.a. aus dem Bereich der Demographie, ein geringeres Trendwachstum der Produktivität und eine globale Sparschwemme. In einem solchen Umfeld hat die konventionelle Geldpolitik nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten, sagt er. Daher müssten verstärkt unkonventionelle Mittel eingesetzt werden, wie der Kauf von Assets und negative Zinsen. Zudem müssten höhere Ziele für Inflation und nominales Wachstum gesetzt werden, verbunden mit einer Steigerung des langfristigen Wachstumspotenzials durch gezielte Investionen in Infrastruktur, Erziehung und Forschung. Zudem sollte die Fiskal- und Steuerpolitik stärker antizyklisch ausgerichtet werden, so Williams.

    Es gibt Anzeichen, dass sich die wirtschafts-, geld- und finanzpolitische Szenerie in die von Williams aufgezeigte Richtung bewegt. So sehen beide US-Präsidentschaftskandidaten in ihren Wahlprogrammen signifikante Infrastrukturausgaben vor. In Japan kündigt die Regierung fiskalische Anreize an und flirtet gleichzeitig mit dem Gedanken an Helikopter-Geld. Die EZB wird nicht müde, in ihrem QE-Programm Anleihen im Wert von monatlich 60 bis 80 Mrd. Euro zusammenzuraffen.

    Wenn die Gemeinde der Zentralbanker früher oder später die Gedanken von Williams in die Tat umsetzt, folgt daraus, dass die Zinsen und Renditen über das gesamte Laufzeitenspektrum noch etliche Jahre ultra-niedrig bis negativ bleiben werden. Daraus folgt auch, dass die ohnehin schon hohe Staatsverschuldung noch weiter ansteigen wird. Und letztlich dürfte die ganze Veranstaltung darin münden, dass die jeweiligen Zentralbanken zumindest die staatliche Neuverschuldung aufkaufen, so wie das in Japan seit einigen Jahren schon geschieht.

    Im Kontext niedriger bis negativer Bond-Renditen sind Aktien unter Rendite-Gesichtspunkten weiter gesucht. Das hat deren Bewertung hoch getrieben. Die wirkliche Blase besteht jedoch in globalen Bonds. Rund ein Drittel rentiert schon negativ. Das weltweite Volumen an Zins-Derivaten hat sich in den zurückliegenden zehn Jahren verzehnfacht und kommt aktuell auf 550 Bill. Dollar. Wenn sich die beschriebene Linie der Geldpolitik durchsetzt, dürfte die Entwicklung noch weitergehen. In den USA dürften die Zinsen zunächst durch zufließendes Kapital noch weiter gedrückt werden, das durch die im internationalen Vergleich höheren Renditen angezogen wird.

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    Klaus Singer
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    Verfasst von Klaus Singer
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