Chancen und Risiken für die Jahresend-Rallye - Seite 3
Mit Blick auf die abseits von Basiseffekten verhaltenen Wachstumsaussichten und politisch labilen Verfassungen in einigen Euro-Ländern wird die EZB aber keine wirklich restriktive Geldpolitik betreiben können. Die erhebliche Reduktion von Anleihekäufen würde unweigerlich zu Renditeerhöhungen von Staatsanleihen führen, die Zinserträgen ohne Zweifel zugutekämen. Diese Zinsverteuerungen würden allerdings – mit Blick auf den hohen Schuldenstand der meisten Euro-Länder verbunden mit der als notwendig empfundenen staatlich finanzierten Stabilisierung der sozialen Lage – Länder wie Italien nahe an den Rand der Zahlungsunfähigkeit führen. Die Staatsschuldenkrise 2.0 wäre geboren.
Allerdings könnte die EZB eine leichte Schwerpunktverlagerung ihrer bisherigen Geldpolitik vornehmen. So könnte sie „Light Tapering“ betreiben, also die zusätzliche Liquiditätsversorgung nur im begrenzten Umfang zurückführen. Die Anleiherenditen würden nicht massiv, sondern nur verhalten steigen. Dennoch würde sich für Banken im Zuge einer steileren Zinsstrukturkurve Fristentransformation – Geldaufnahme zu weiter auf unbestimmte Zeit ultraniedrigen Zinskonditionen bei der EZB und Anlage zu dann höheren Renditen bei Staatspapieren – wieder mehr lohnen. Denn seit dem Rettungsversprechen von Mario Draghi im Juli 2012, zur Stabilisierung der Eurozone unbegrenzt Staatspapiere aufzukaufen, was dann ab Januar 2015 auch tatsächlich umgesetzt wurde, hat sich die Zinsstrukturkurve dramatisch verflacht und so maßgeblich zur schwachen Zinsertragslage der Finanzindustrie beigetragen.
Anstatt der EZB würden dann die Banken verstärkt Staatspapiere kaufen. Unter dem Strich bliebe die Refinanzierung neuer Staatsschulden ohne Absatzprobleme gewahrt. Ein deutlicher Anstieg der Renditen von Staatsanleihen als Vorbote einer erneuten Finanzkrise wäre insofern nicht zu befürchten. Mit der Ertragsstabilisierung bei Banken und einer weiteren reibungslosen Schuldenrefinanzierung hätte die EZB gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen.
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Aus realwirtschaftlicher Sicht besteht grundsätzlich keine Gefahr einer monetären Unterversorgung, im Gegenteil. Bezogen auf die Überschussreserven, die die Kreditinstitute bei der EZB unterhalten multipliziert mit dem Geldschöpfungsmultiplikator, der sich aus dem Mindestreservesatz von derzeit einem Prozent ergibt, könnte die gesamte Wirtschaftsleistung der Eurozone theoretisch noch ca. zehnmal kreditfinanziert werden.