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    Buchtipp  2636  0 Kommentare Die bundesdeutsche Linke der 70er Jahre - Seite 3

    „In keiner der Biografien gab es den notorischen ‚Nazi-Vater’, der ein fester Bestandteil der gängigen Erklärungen der Studentenbewegung ist. Auch fehlt die unmittelbare moralische Empörung aufgrund direkter familiärer Verstrickungen.“ (S. 67) Und typisch sowohl für die 68er wie auch für die nachfolgenden Linksradikalen der 70er Jahre sei gerade die Abwesenheit von „repressiven“ Familienverhältnissen gewesen (S. 79). Manchmal seien sich die Eltern und ihre Kinder sogar recht ähnlich gewesen, was das Feindbild anlangt: Die erklärten Gegner der Maoisten waren die USA und die Sowjetunion. Gruppen wie die KPD/AO oder die KPD/ML bekämpften die Sowjetunion als sozialimperialistischen „Hauptfeind“ und fochten für die nationale Einheit und Wiedervereinigung Deutschlands. 

    Ungeeignet zur idealistischen Legendenbildung
    Die Botschaften der linksextremen Gruppen der 70er waren indes eindeutig. Das Logo vieler ML-Gruppen waren die Köpfe von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tsetung. Stolz wurde der damalige KBW-Anführer Joscha Schmierer von der Führung der Roten Khmer in Kambodscha empfangen, für die Hunderttausende D-Mark Spenden gesammelt wurden. Bekanntlich sind sie für den Tod von fast zwei Millionen Menschen in Kambodscha verantwortlich; ihr Steinzeitkommunismus war eine der brutalsten Gewaltherrschaften des 20. Jahrhunderts. Schmierer gehörte zu den großen Bewunderern und Unterstützern des Diktators Pol Pot und unterhielt freundschaftliche Beziehungen mit dem Regime. Nebenbei bemerkt: Von 1999 bis 2007 war er dann Mitarbeiter im Planungsstab des Auswärtigen Amtes unter Bundesaußenminister Joschka Fischer sowie dessen Nachfolger und heutigem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Verantwortlich war Schmierer im Auswärtigen Amt u.a. für Grundsatzfragen der Europapolitik. 

    Klima der Unterdrückung
    Geprägt wurden besonders die Aktivisten der maoistischen K-Gruppen durch eine extrem strenge Disziplin und eine repressive Atmosphäre. Ein Gründungsmitglied des KBW drückte dies so aus: „Wir waren in gewisser Weise wie Maschinen, die sehr stramm in einem ideologischen Mechanismus gedacht haben.“ (S. 49) Ausführlich zitiert Hinck einen Brief des bereits erwähnten Joscha Schmierer, der in seiner Funktion als KBW-ZK-Sekretär einen Genossen scharf zurechtwies, der seine Doktorarbeit schreiben wollte – wofür natürlich angesichts des Primats der revolutionären Politik keine Zeit war. Dem Brief des Genossen, in dem dieser um Verständnis bat, er müsse seine Dissertation abschließen, weil er sonst auf dem Arbeitsmarkt keine Chance habe, wurde von Schmierer entgegnet: „In dem Brief kommt überhaupt nicht zum Ausdruck, dass dem Plan der Arbeit in der Redaktion ein ZK-Beschluss zu Grunde liegt und das dementsprechend die ganze Angelegenheit auch nur durch einen ZK-Beschluss rückgängig gemacht werden kann. Stattdessen erweckt Dein Brief den Eindruck als wäre die Sache für Dich bereits entschieden, und zwar, weil Du Dich entschieden hast. Das ist natürlich nicht richtig und im Grunde ein liberales und individualistisches Herangehen.“ (S. 184) Der Brief endete: „Wir gehen davon aus, dass Du Deine falschen Ansichten korrigieren wirst und insbesondere lernen wirst, dass es für einen Kommunisten kein tödlicher Unfall ist, wenn er eines schönen Tages aus den akademischen Hallen vertrieben wird. Mit kommunistischem Gruß. Joscha Schmierer. Sekretär des ZK.“ (S. 185 f.).


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Buchtipp Die bundesdeutsche Linke der 70er Jahre - Seite 3 Gunnar Hinck, Wir waren wie Maschinen. Die bundesdeutsche Linke der siebziger Jahre, Rotbuch Verlag, Berlin 2012, 464 Seiten.

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