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    Deutschland  1426  0 Kommentare Aktuelle Konjunkturlage und Ausblick: Wozu die Unkenrufe?

    Psychologen scheinen sich darin einig zu sein, dass wir durch schwere Zeiten oder Unfälle das Vertrauen in die Zukunft verlieren. Übertragen auf wirtschaftliche Entwicklungen stellt sich die Frage: Inwieweit belasten die Krisen der letzten Jahre die Risikobereitschaft und die Entscheidungsfreude bzw. den grundsätzlichen Optimismus der wirtschaftlich Handelnden?

    Befürchtungen vor fehlender Nachhaltigkeit der Konjunkturbelebung sind unangebracht

    Psychologen scheinen sich darin einig zu sein, dass wir durch schwere Zeiten oder Unfälle das Vertrauen in die Zukunft verlieren. Übertragen auf wirtschaftliche Entwicklungen stellt sich die Frage: Inwieweit belasten die Krisen der letzten Jahre die Risikobereitschaft und die Entscheidungsfreude bzw. den grundsätzlichen Optimismus der wirtschaftlich Handelnden? Die Erinnerung an den deutlichen Einbruch 2008/09 mag immer noch die Risikobereitschaft bzw. die Zuversicht in die Zukunft einschränken und könnte damit ein möglicher Grund für die nur langsam an Dynamik zulegende Investitionstätigkeit sein. Wenn es nicht die Krisenerfahrungen bzw. -erinnerungen sind, die durch eine anhaltend gute Konjunktur mehr und mehr verdrängt werden sollten, so sind es Volkswirte und insbesondere die Wirtschaftsweisen, die es nicht versäumen, auf die mögliche Nicht-Nachhaltigkeit der aktuellen Konjunktur und sich aufbauende zukünftige mögliche Probleme hinzuweisen. Schon seit Jahren zweifeln zahlreiche Volkswirte an der Nachhaltigkeit der aktuellen Erholung, da sie anscheinend auf billigem Geld basiert und nicht auf einer nachhaltigen Wertschöpfung in Form verstärkten Sparens, das die Grundlage für dauerhafte Investitionen liefern soll. Doch investiert wird nicht, wenn die Sparquote hoch ist – im Gegenteil: Es wird investiert, wenn die Nachfrage hoch ist, die Kapazitäten ausgelastet sind und eine konjunkturelle Überhitzungen erwartet wird. Häufig wird argumentiert, die aktuelle Geldpolitik fördere eine nicht-nachhaltige Entwicklung, denn schließlich wären keine Lehren aus der Krise gezogen worden, da die Notenbanken weiterhin versuchen, die Wirtschaft über billiges Geld anzukurbeln. Demnach würde nach dem Platzen einer Blase nur ein Reinigungsprozess helfen. Dieser werde allerdings durch die ultra-lockere Geldpolitik verhindert. Nicht selten wird von einem Kartenhaus gesprochen, wenn es um die Zukunftsperspektive einer durch eine unterstützende Notenbank induzierten Erholung geht. Aktuell werden also die Erwartungen der Unternehmen nicht nur durch die Erfahrungen in der Krise belastet, sondern ebenfalls durch die anhaltende Kritik an der EZB-Geldpolitik und durch die Prophezeiung langfristig negativer Konsequenzen. Bis jetzt sind die befürchteten Entwicklungen nicht eingetreten: Weder ist die Inflationsrate deutlich angezogen noch hat es einen Investitionsboom in Deutschland oder Europa gegeben, der auf eskalierende Fehlallokationen hindeuten würde. Oftmals werden ebenfalls Verwerfungen auf den Finanzmärkten (steigende Aktienkurse, fallende Renditen) angeführt, die aber bis dato die Erholung eher gestützt als bedroht haben. Trotz anhaltender Skepsis hält das Wirtschaftswachstum schon erstaunlich lange an, und die Schuldenquoten der Euro-Staaten beginnen zu sinken. Alles in allem ein Umfeld, das einer positiven Beurteilung der EZB-Politik würdig ist.

    Überhitzung der deutschen Wirtschaft nicht in Sicht

    Auch aktuell werden wieder einmal Zweifel an einer positiven zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung laut. Einerseits wird die aktuelle Konjunkturlage im Jahresgutachten des Sachverständigenrates als Chance für eine Neuausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik gesehen; andererseits warnen die Wirtschaftsweisen vor einer Überhitzung in Deutschland. Die deutsche Wirtschaft wird im laufenden Jahr das erste Mal seit den Aufholjahren 2010/11 ein BIP-Wachstum von knapp über 2 % aufweisen. Zwar wächst die Volkswirtschaft damit über ihrem geschätzten Potenzial (was aktuell bei rund 1,4 % liegt), doch weder Inflationsdynamik noch die Entwicklung der Leistungsbilanz deuten auf eine Überhitzung hin. Gleiches gilt für die EuroZone. Auch bei der deutschen Industrie ist keine Überhitzung zu erkennen. Ihre Produktion liegt gerade einmal 5 % über dem Vorkrisenniveau von vor 10 Jahren. Dass die Produktion überhaupt angestiegen ist, liegt vor allem an der guten Nachfrageentwicklung in 2017. Die Kapazitäten sind zunehmend ausgelastet, was nun endlich eine erhöhte Investitionsbereitschaft mit sich bringen sollte. Aber das ist kein Grund für negative Stimmung.

    Doch selbst wenn eine Überhitzung der Gesamtwirtschaft drohen würde bzw. sich ergäbe, könnte diese als Ausgleich für die Krisenjahren durchaus als angebracht angesehen werden. Gemäß Keynes sollte das Ziel der Wirtschafts- und Geldpolitik nämlich nicht sein, mögliche zukünftige Überhitzungen und Fehlallokationen durch ein anhaltend schwaches Wachstum zu verhindern, sondern in erster Linie die Wirtschaft bei Vollbeschäftigung zu halten: “The right remedy for the trade cycle is not to be found in abolishing booms and thus keeping us permanently in a semi-slump; but in abolishing slumps and thus keeping us permanently in a quasi-boom.”

    Handlungsbedarf beim Immobilienmarkt liegt beim Staat

    Vor allem der deutsche Immobilienmarkt wird immer wieder als Beispiel dafür angeführt, wie sehr die Geldpolitik der EZB zu expansiv agiert bzw. Überhitzungen verursacht. Die Preise für Wohnimmobilien sind infolge der Niedrigzinspolitik stark angestiegen, das Angebot an Wohnungen auf dem Markt ist zu gering, der Bedarf groß; trotzdem bleibt die Immobilienkreditvergabe in Deutschland verhalten. Von einer durch billiges Geld finanzierten Immobilienblase kann deshalb nicht ausgegangen werden. Es sind die fehlenden alternativen Anlagemöglichkeiten infolge niedriger Zinsen, die die Sparer und Anleger zu Immobilien drängen und dadurch die Preisschraube nach oben treiben. Steigende Vermögenswerte sollten jedoch grundsätzlich als positiv angesehen werden. Das Problem liegt eher in den Verteilungseffekten der aktuellen Geldpolitik. Und hier ist der Staat gefordert, die Angebotsseite des Häusermarkts durch direkte Investitionen zu stützen, zumal er angesichts der Zinspolitik der EZB dabei noch eine ordentliche Rendite erwirtschaften kann (s. IKB-Kapitalmarkt-News 12. September 2017). Es ist also nicht das niedrige Zinsniveau alleine, sondern vor allem die Passivität des Staates, die die negativen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt bzw. die Verteilungseffekte begünstigt haben.

    Fazit:

    Unkenrufe, welche die fehlende Nachhaltigkeit der aktuellen Konjunkturdynamik und zu erwartende negative Konsequenzen der expansiven EZB-Geldpolitik beschwören, werden schon seit längerem von einer robusten Konjunkturentwicklung in der Euro-Zone widerlegt. Nach rund sechs Jahren der moderaten Belebung sollte die deutsche Wirtschaft in 2017 ein Wachstum von knapp über 2 % aufweisen. Dies scheint für viele Volkswirte Grund genug zu sein, vor einer möglichen Überhitzung der Wirtschaft zu warnen und damit erneut über die fehlende Nachhaltigkeit der aktuellen Konjunkturentwicklung zu spekulieren. Doch solche Aussagen sind nicht nur kontraproduktiv, weil sie zu einer geringeren Investitionsbereitschaft führen könnten; sie sind angesichts der Niveaus von Inflation und Kreditvergabe sowie der Leistungsbilanzdynamik auch nicht nachvollziehbar.

    Autor: Dr. Klaus Bauknecht (Die IKB Deutsche Industriebank AG begleitet mittelständische Unternehmen mit Krediten, Risikomanagement, Kapitalmarkt- und Beratungsdienstleistungen)





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