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    Interview  1627  4 Kommentare Katarina Barley: "Nie war die Einheit Europas so sehr gefährdet wie jetzt" - Seite 2

    Stichwort EU-Austritt: Sie sind sowohl Deutsche als auch Britin. Welches „Brexit-Szenario“ halten Sie derzeit für am wahrscheinlichsten und wie geht es danach für die EU und Großbritannien weiter?

    Ich habe die deutsche und die britische Staatsbürgerschaft, der Brexit bewegt mich tief. Niemand weiß im Moment genau, wie es weitergeht, nur eines ist klar: Durch den Brexit verlieren die Britinnen und Briten genauso wie Europa. Angesichts der verfahrenen Situation die Briten noch einmal zu befragen, fände ich fair. Der Brexit rüttelt aber auch viele Menschen auf und weckt das Bewusstsein für den Wert der EU. Bei meinen Begegnungen stelle ich immer wieder fest, dass die Begeisterung für Europa groß ist und dass viele verstanden haben, dass es diesmal um eine Richtungsentscheidung geht. Ich suche den Kontakt zu den Menschen, um einen echten und ehrlichen Dialog zu führen. Wenn wir uns mehr zuhören und miteinander reden, finden wir als Gesellschaft auch wieder stärker zusammen. Es geht um Zusammenhalt und ein friedliches Miteinander in Europa. Das wird sich auch bei der Wahlbeteiligung zeigen, da bin ich sicher.

    Die Ostdeutschen stehen der Demokratie laut Umfrage deutlich skeptischer gegenüber als Westdeutsche. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz? Warum zweifeln so viele Ostdeutsche an der Demokratie?

    Die Wiedervereinigung ist eine historisch einmalige Leistung der Menschen in Ostdeutschland. Mit unglaublich viel Mut und Kraft haben sie ein System besiegt, das die Kontrolle über alles und jeden haben wollte. Der Wechsel von einem Staatssystem der Unfreiheit in die Demokratie war aber für die große Mehrheit der Menschen hart. Nach der Euphorie und den Versprechungen von blühenden Landschaften folgten oft Arbeitslosigkeit, ein Gefühl der Entwertung von Lebensleistungen, der harte Bruch im eigenen Leben. Bis heute sind die Löhne in Ostdeutschland niedriger als im Westen. Bis heute sind die Lebensverhältnisse in Ost und West ungleich. Das führt zu Enttäuschungen und bei manchen auch zu einem geringeren Vertrauen in die Demokratie. Deswegen müssen wir zum einen den Wert der Demokratie an sich stärker machen, zum anderen auch weiter an der Angleichung der Lebensverhältnisse arbeiten.


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    Sven Lilienström
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    Sven Lilienström (43) ist Master of Global Management und Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie. Ziel der Initiative ist es, ein Zeichen zum Schutz und zur Stärkung von Demokratie, Pluralismus und Pressefreiheit zu setzen und auf die zunehmenden Gefahren von Protektionismus und partiellem Nationalismus aufmerksam zu machen.
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    Verfasst von Sven Lilienström
    Interview Katarina Barley: "Nie war die Einheit Europas so sehr gefährdet wie jetzt" - Seite 2 Dr. Katarina Barley (50) ist Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz und seit Dezember 2018 Spitzenkandidatin der SPD zur Europawahl. Zuvor leitete die gebürtige Kölnerin das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend …

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