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    Handelskrieg-Gewinner  7632  0 Kommentare Vietnam: Leben im Wirtschaftswunderland - zwischen "bereichernd" und "enervierend"

    Jürgen Büttner, Autor von Smart Investor, der wallstreet:online-Partnerredaktion, hat sich Vietnam als Ziel für angehende Expatriate oder Auswanderwillige genauer angesehen. Ländercheck!

    Laut Volkswirten produziert der Handelskrieg zwischen den USA und China fast nur Verlierer; lediglich vereinzelt finden sich auch Gewinner. Als einer der größten davon gilt Vietnam: Die aus China abgezogene Produktion wandert nämlich nicht selten in das südostasiatische Land. Außerdem beziehen die USA und andere Staaten auch handelskonfliktbedingt mehr Waren aus Vietnam.

    Stramme Wachstumsraten

    Noch bleibt aber abzuwarten, ob das auch langfristig ein Segen ist – oder eher ein Fluch, ist das Land mit seinen rund 95 Mio. Einwohnern doch erfahrungsgemäß anfällig für volkswirtschaftliche Exzesse. Da die Konjunktur auch ohne diesen Zusatzimpuls gut lief, ist eine Überhitzung nicht auszuschließen. Außerdem ist denkbar, dass auch Vietnam irgendwann in Ungnade fällt. Schließlich hat US-Präsident Trump allgemein etwas gegen Länder mit hohem Überschuss im Handel mit den USA.

    Losgelöst davon wuchs das Bruttoinlandsprodukt im Vorjahr um 7,1%. Für die Jahre 2019 bis 2024 rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einer jährlichen Wachstumsrate von 6,5%. Den Startschuss für die Aufwärtsbewegung gab bereits die Einführung der Doi-moi-Reformen (Doi moi = Erneuerung) im Jahr 1986. Damit begann laut Hessischer Landesbank ein Transformationsprozess, der das kriegsgebeutelte Land von staatlich gelenkter Planwirtschaft zu einem System sozialistischer Marktwirtschaft führen sollte. Weil die Armut in den vergangenen 30 Jahren laut IWF von über 60% auf unter 5% gesunken ist, war das Unterfangen von Erfolg geprägt.

    Beliebt bei Expatriates

    Der Aufschwung lockt auch immer mehr multinationale Unternehmen an, wodurch sich Ausländern zunehmend Beschäftigungschancen eröffnen. Für Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen bedarf es allerdings Visa-Genehmigungen. Wie diese zu erlangen sind, ist im Einzelfall zu prüfen. Jene Expatriates, die bereits vorübergehend oder dauerhaft einen Wohnsitz in Vietnam innehaben, sind zusehends zufrieden mit ihren Lebensbedingungen – zumindest lassen zwei Umfragen darauf schließen. So war Vietnam laut dem Global Expat Report 2019 von HSBC das zehntbeste Land für ausländische Mitarbeiter zum Leben, Arbeiten und für die Familiengründung. „Die Attraktivität Vietnams hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht, wobei dafür nicht zuletzt herrliche Landschaften, eine lebendige Kultur und die positive Work-Life-Balance sorgen“, heißt es in dem Bericht.

    Sogar noch besser schneidet Vietnam beim Expat Insider 2019 Survey von Internations ab. Nach Rang 14 von 68 Destinationen im Jahr 2018 wählten Expats das Land in diesem Jahr auf den zweiten Platz. Besonders zufrieden sind sie demnach mit Karriereaussichten, Arbeitsplätzen im Allgemeinen sowie den persönlichen Finanzen. Letzteres hat auch mit vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten zu tun – insbesondere, wenn man die lokale Küche genießt, zu der unter anderem Frühlingsrollen oder Nudelsuppe zählen. Das bietet sich bei guter Zubereitung ohnehin an, zählt das Essen doch zum Besten und Gesündesten weltweit. Laut International Living kann ein Paar überall in Vietnam mit einem Budget von weniger als 2.000 USD im Monat bequem leben. In kleineren Städten reiche auch ein monatliches Budget von 1.000 USD oder weniger für einen komfortablen Lebensstil.

    Gastfreundliche Vietnamesen

    Interessant sind auch die Vietnamesen selbst. Der 48-jährige Son Nguyen beschreibt seine Landsleute als fleißig und gastfreundlich. Insbesondere gegenüber Ausländern sei man sehr offen und einladend. Das ist deshalb bemerkenswert, weil die Geschichte Vietnams von einem langwierigen Kampf um die Unabhängigkeit geprägt ist: So war das Land allein schon fast 1.000 Jahre lang eine Provinz Chinas. 

    Der in Ho Chi Minh lebende Nguyen verschließt aber auch die Augen vor den Nachteilen nicht. Für ihn zählen dazu Abfall- und Umweltverschmutzung, der Verkehr (hohe Todesquote) sowie die Korruption (Platz 117 von 180 im Korruptionswahrnehmungsindex) – alles Punkte, die auch andere Seiten häufig monieren. Pflicht ist normalerweise auch das Erlernen der Landessprache. Das ist trotz relativ einfacher Grammatik deshalb nicht leicht, weil es bei der Aussprache auf die Tonhöhe ankommt.

    Zum Klima ist zu schreiben, dass dieses im Süden weitgehend tropisch und im Norden vom Monsun geprägt ist. Als potenzielle Lebensorte hat Vietnam auf einer mit 331.210 km2 annähernd so großen Fläche wie Deutschland Großstädte wie mit Hanoi die älteste noch bestehende Hauptstadt Südostasiens zu bieten oder mit Ho Chi Minh-Stadt das wirtschaftliche Zentrum des Landes. Hinzu kommen Strandorte wie Nha Trang, Hoi An, Ha Long Bay, Phu Quoc oder Mui Ne und Bergstädte wie Da Lat, Sapa oder Mai Chau. Es ist also für jeden Geschmack etwas dabei.

    Eingeschränkte Bürgerrechte

    Was die Eingewöhnung im Allgemeinen angeht, müssen sich Westeuropäer darauf gefasst machen, in eine andere Kultur einzutauchen. Das kann bereichernd und lehrreich sein, aber auch enervierend und mitunter sogar etwas abstoßend. Wie überall auf der Welt gilt dabei letztlich: Ob man in ein Land passt, hängt vom eigenen Charakter ab – und jeder muss es selbst herausfinden.

    Das trifft im Falle Vietnams letztlich auch auf die Frage zu, wie man zum politischen System steht. Die Hessische Landesbank erinnert dabei an Folgendes: „Während die wirtschaftliche Öffnung weiter voranschreitet, hat sich die politische Lage kaum verändert. Unangefochten gilt das sozialistische Einparteiensystem, die Kommunistische Partei Vietnams beansprucht die Führung von Staat und Gesellschaft. Geringe institutionelle Reformbereitschaft, hohe Korruption und erheblich eingeschränkte Bürgerrechte prägen das Bild.“

    Fazit

    Nach diesen Schilderungen dürfte eines klar sein: Vietnam hat wie praktisch alle Länder gute und schlechte Seiten zu bieten. Wie es einem persönlich gefällt, lässt sich letztlich nur mit einem Testaufenthalt beurteilen. Reizvoll ist das Land aber bestimmt für all jene Auswanderungswillige, die einmal eine andere Kultur erleben wollen und es spannend finden, aktiv an der Dynamik eines Wirtschaftwunderlands teilzuhaben.

    Autor: Jürgen Büttner/Smart Investor

    (Diese Analyse aus der Smart Investor-Ausgabe 12/19 bezieht sich auf Daten, die bis zum 23.11.2019 erfasst wurden.)

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