So tickt die Börse 21/6 • Massenbewegung an Aktienmärkten gewinnt an Dynamik in der Breite
Im aktuellen Kapitel 02 bin ich nochmals darauf eingegangen, warum die "Massen" ein zunehmend ernst zu nehmender Faktor am Aktienmarkt werden.
Als die "Spitze des Eisbergs" habe ich die Massen vor zehn Tagen beschrieben, die sich über Reddit WallStreetBets organisieren. Inzwischen ist die Masse weitergezogen und tauscht sich über das
Chat-Forum Discord aus. Hintergrund meiner Schlussfolgerung war, dass ich hier in Deutschland nicht viel von einer solchen Bewegung entdecken konnte. Außerdem waren die $-Zahlen, die hinter der
US-Massenbewegung steckten, nicht groß genug. Wer sich im Discord-Forum umschaut, wird schnell bemerken, dass die Feuerkraft der Massenbewegung nicht ausreicht, um ein zweites Gamestop zu
erzeugen.
Dennoch ist es eine gigantische Massenbewegung, die den Tonfall an den Aktienmärkten bestimmt. Die folgende Statistik veranschaulicht das eindrucksvoll:
So viele der Depotkunden in den USA kauften im Januar die folgenden Aktien:
- 10% AMC Entertainment Holdings Inc (AMC)
- 9% GameStop Corp. (GME)
- 6% BlackBerry Ltd (BB)
- 5% Nokia Oyj (NOK)
- 4% Castor Maritime Inc (CTRM)
Über Robinhood, wo man auch Anteile an einer Aktie kaufen kann, gab es eine gigantische Zahl an Einzeltransaktionen. Und diese Masse entwickelt sich nun auch in Deutschland. Mein Twitter-Feed wird
inzwischen von "Silver to the Moon" Nachrichten erstürmt, die von deutschsprachigen Twitternutzern, denen ich folge, gepostet werden.
So waren es anfänglich die stark leerverkauften Aktien wie eben Gamestop und AMC, aber auch Nokia und Blackberry, die auf die Rakete zum Mond gesetzt wurden. Später wurde der Silbermarkt entdeckt,
dann die Elektromobilität bis hin zur Brennstoffzelle. Danach dann die Kryptowährungen, insbesondere kleine Spezialwährungen. Und nun tummeln sich die Massen in Hanf-Aktien, die in Kanada für
medizinische Anwendungen zugelassen wurden und in den USA unter dem liberaleren US-Präsidenten Joe Biden nun ebenfalls gute Chancen auf eine Zulassung haben.
Damit migriert die Masse von Pleitegeiern zu Zukunftsthemen: Wurde der Erfolg der Gamestop-Rallye insbesondere auf dem Rücken von Leerverkäufern erzielt, die auf dem falschen Fuß erwischt wurden,
so hat man in dem Bereich der Elektromobilität, der Brennstoffzellen und der Hanf-Medizin durchaus Themen, die in den kommenden 10 Jahren maßgebliche Änderungen in unserer Gesellschaft erzwingen
werden.
Es bleibt natürlich fraglich, ob in 10 Jahren eine McPhy mit aktuell 13,7 Mio. Euro Umsatz in ihre Marktbewertung von 1 Mrd. Euro wachsen kann, indem überall Wasserstoffzellentankstellen gebaut
werden, die (so das Versprechen) dezentral grünen Wasserstoff erzeugen können. Oder FuelCell, die hochkomplexe Kraftwerke für die Erzeugung grünen Wasserstoffs anbieten, aber ihre Webseite nicht
ordentlich am Laufen halten können (Error 520 Ray ID: 620674523349417a • 2021-02-12 12:53:46 UTC, Web server is returning an unknown error). 70 Mio. Euro Jahresumsatz werden dort schon mit einer
Marktkapitalisierung von 7 Mrd. Euro belegt, ein KUV von 100!
Ich fühle mich an die Internetblase zur Jahrtausendwende erinnert: Damals gehörte ich zu den jungen Wilden, damals habe ich mit Aktien wie Excite, InfoSpace, Inktomi und Doubleclick meine ersten
Anlageerfolge erzielt. Keines der Unternehmen hat überlebt, dennoch habe ich damals eine Menge Geld beiseite legen können, bevor die Internetblase im März 2000 platzte. Ich war einfach
schneller.
Und so sind auch heute viele junge Anleger in der Masse unterwegs, die schnell sind, gut ausgebildet, gute Kenntnisse über die Zusammenhänge an den Aktienmärkten und den Börsen haben und so schon
ihre Erfolge in ein neues iPhone, in FPV-Drohnen und andere Nettigkeiten des Alltags investieren, bevor wir überhaupt bemerken, in welcher Aktie gerade die Musik spielt. Es wäre vermessen, diese
jungen Anleger als naiv abzutun.
Im Gegenteil, wir können von ihnen lernen. Wir haben in unserem Heibel-Ticker Portfolio ja einen Bereich, mit dem wir spekulativ unterwegs sein können. Dort gehören nicht die gepuschten Titel rein,
die binnen eines Tages 100% gewinnen und dann auch wieder abgeben. Aber wir berücksichtigen diese neue Entwicklung, indem wir für die kommenden Monate etwas aggressiver unterwegs sind.
Die Goldmänner haben einen Index erfunden, der nur die Aktienkursentwicklung von Unternehmen zeigt, die Verluste schreiben. Unternehmen also, von denen wir eigentlich die Finger lassen würden, wenn
es nicht einen sehr triftigen Grund gibt. Hier die Entwicklung der vergangenen 12 Monate (rot) im Vergleich zum S&P 500 (blau):
Abbildung 1: Performance von Unternehmen ohne Gewinne
Wir können im Dreieck springen, junge Anleger belächeln, die Unternehmen ohne Gewinn kaufen und rufen "wie dumm, wie dumm, wie dumm!", und dann werden wir einen jungen Zocker im Cabriolet
vorbeifahren sehen.
So haben wir heute Facebook verkauft, obwohl die Aktie "günstig" bewertet ist. Die Musik spielt jedoch in anderen Aktien der Social Community, wie ich in Kapitel 04 zeigen werde. Dort stelle ich
auch ein weiteres Unternehmen vor, das im Bereich der Brennstoffzelle meiner Einschätzung nach auch in 10 Jahren noch führend unterwegs sein wird.
Wie lange wir diesen Markt noch haben werden? Keine Ahnung. Ich kenne mich nun aber gut genug, um zu wissen, dass ich selten "zu spät" ausgestiegen bin. Vielmehr bin ich meistens recht gut
rausgekommen. Mein Problem ist dann nur, dass ich schon zu früh wieder einsteige. Darauf werde ich diesmal achten :-)
DISNEY MIT HERAUSRAGENDEN ZAHLEN
Letzte Woche hat Disney Quartalszahlen veröffentlicht: Zu aller Überraschung konnte der Konzern einen Gewinn ausweisen, obwohl alle Analysten fest mit einem Verlust rechneten. Disney ist vom
Lockdown hart getroffen: Die Vergnügungsparks sind seit Monaten größtenteils geschlossen, Kreuzfahrtschiffe liegen leer im Hafen und neue Kinofilme schieben ihre Premieren zum Sankt Nimmerleinstag.
Wie konnte der Konzern dennoch einen Gewinn ausweisen?
Nun, Disney+ bricht alle Rekorde. Disneys Streamingdienst hat in kürzester Zeit die 100 Mio. Abonnentenmarke erzielt, schneller als irgendein Wettbewerber nach der Markteinführung. Der Erfolg hat
sich angekündigt und war im Aktienkurs bereits ablesbar: Seit dem Coronacrash ist Disney um 140% angesprungen.
Ich bin gespannt, wie lukrativ Disney ist, wenn die Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden.
CHIPVERSORGUNG KAPUTT
Sie haben es bestimmt gehört: Die Autoindustrie beklagt fehlende Chips. Autos können nicht fertig gestellt werden, weil keine Chips verfügbar sind. Was steckt dahinter?
Ganz einfach: China First. Die weltweiten Chipproduzenten konzipieren seit langem nur noch ihre Chips und lassen sie in China fertigen. Taiwan Semi ist der weltweit größte Chipproduzent. Intel ist
ein Schatten seiner selbst, hat erst in den vergangenen Jahren seine eigenen Produktionsanlagen reduziert, um kosteneffizienter zu werden.
China geht beim Autobau nun in die Vollen: Chinesische Autobauer rüsten ihre Fahrzeuge mit Chips auf, die Nachfrage nach individuellen Transportmöglichkeiten, also nach Autos, ist durch Corona nur
noch weiter angeheizt worden. Sie erinnern sich: Ein großer Infektionsherd in der Wahrnehmung der Menschen sind nach wie vor die Öffis: Bus und Bahn.
Und so haben chinesische Produzenten Lieferverträge mit den heimischen Chipproduzenten, die sofort bei Abruf bedient werden müssen. Was derzeit Chips produzieren kann, produziert für chinesische
Hersteller. Zum Exportieren ist dann nicht mehr viel übrig.
Taiwan Semi hat bereits vor 4 Wochen angekündigt, weitere Fertigungsanlagen aufzubauen. Die Anbieter von Produktionsmaschinen für Halbleiter, LAM Research und AMAT bis hin zu unserer Aixtron können
sich vor Aufträgen nicht retten, die Aktien heben ab. Und Chipproduzenten, die ihre eigenen Fertigungsanlagen gepflegt haben, freuen sich über die angesprungenen Preise. Wir werden uns einen davon
ins Portfolio holen, wie Sie in Kapitel 04 lesen werden.
Wichtig fürs Verständnis: Es betrifft Massenchips, wie sie im Auto und anderen elektronischen Standard-Geräten verbaut werden. High-End Chips von Nvidia und AMD sind nicht betroffen. Nvidia hat
heute angekündigt, Chips der Vorgängergeneration zu verkaufen. Die sind gut genug, um die derzeit fehlenden Massenchips zu ersetzen.
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