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     2640  0 Kommentare Wie auf den Goldseiten



    Aus der Geschichte lernen

    Es gab einmal eine Zeit, da war Bimetallismus eine Sünde. (Bimetallismus ist es, wenn die Währung eines Landes nicht nur durch Gold, sondern auch durch Silber gedeckt ist.) Da war Bimetallismus eine Sünde, so wie heute bei den Vertretern der reinen Lehre Papiergeld, Homoerotik und Staatsverschuldung eine Sünde sind.

    Man denkt immer, das Fanatische von Orthodoxen wäre etwas Neues und das gebe es nur in der Kirche, in der Moschee und auf den Goldseiten. Doch am Wochenende stoße ich in der Biografie von George Bernard Shaw auf eine wunderbare Szene, die über hundert Jahre zurück liegt, jedoch genauso gut aus der Internetzeit stammen könnte.

    Da berichtet Shaw von einer Vereinigung, „die aus vier Mitgliedern bestand: aus mir, dem Sekretär, dem Kassenwart und einem Herrn, der auf das finanztechnische Thema des Bimetallismus versessen war.“ Man versuchte stets, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu einem Vortrag einzuladen, doch scheiterte damit immer. Doch dann gelang es, Samuel Butler einzuladen, der einen Vortrag darüber halten wollte, dass die Odyssee in Wahrheit von einer Frau verfasst worden sei.

    Shaw schreibt: „Ich war sicher, dass er sich nicht im Geringsten klar war, in was er sich da eingelassen hatte. Sein Publikum würde im Höchstfall aus sechs Personen bestehen, von denen eine ihn so gut wie sicher in eine Diskussion über den Bimetallismus verwickeln würde.“ (An dieser Stelle könnte ich mich bereits wegwerfen vor Lachen.)

    Anschließend berichtet Shaw, wie man während des Vortrags sowie in der Pause den Kritiker des Bimetallismus erfolgreich von Meinungsäußerungen abhält. Hinterher war dieser sogar so angetan von dem Vortrag, schreibt Shaw, „dass er nach einem weiteren missglückten Versuch das Währungsproblem vergaß und sich mein Exemplar der Odyssee borgte und es mir später mit einer Anzahl von Randbemerkungen über den Bimetallismus zurückgab.“

    Die Odyssee mit Randbemerkungen über den Bimetallismus. Besser lässt sich der Dogmatismus auch in tausend Jahren nicht illustrieren.

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Wie auf den Goldseiten Aus der Geschichte lernen Es gab einmal eine Zeit, da war Bimetallismus eine Sünde. (Bimetallismus ist es, wenn die Währung eines Landes nicht nur durch Gold, sondern auch durch Silber gedeckt ist.) Da war Bimetallismus eine Sünde, so …