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     2623  0 Kommentare Fiskalpakt – neoliberale Neuauflage - Seite 2



    Politisch war bedeutsam, dass man sich allmählich an die Ost-West-Konfrontation „gewöhnte“ und immer weniger die Notwendigkeit sah, sich um die Wahrung des „sozialen Friedens“ zu bemühen. Die Phase, in der Stichworte wie „Verteilungsgerechtigkeit“ und das „sozial“ bei „sozialer Marktwirtschaft“ praktisch-politische Relevanz besaßen, endete in den späten 1960er/frühen 1970er Jahren.

    Bis zum Beginn der 1970er Jahre waren die Finanzmärkte stark reguliert und die Wechselkurse weitgehend fest. Nach Vorstellung der Chicagoer Schule sollten die Märkte entfesselt, feste Wechselkurse aufgegeben, niedrige Zinssätze unter der Wachstumsrate etabliert und Finanzderivate geschaffen werden. Das führte zur Aufgabe des Bretton Woods Systems und leitete den beispiellosen Aufschwung der Finanzindustrie ein. Ihre Bedeutung wuchs stark an, ihr Anteil am volkswirtschaftlich aggregierten Unternehmensgewinn wuchs demgegenüber noch weit überproportional. Die relative Bedeutung der Realwirtschaft ist seitdem bis heute rückläufig.

    Ende der 1980er Jahre verwarfen die USA die neoliberal-regelgebundene Geld- und Fiskalpolitik. Sie wurde durch eine antizyklische Geld- und Fiskalpolitik abgelöst, die einen fernen Anklang an Keynes hat.

    Die EU ging einen anderen Weg und gab sich schon in den 1990er Jahren mit den Maastricht-Verträgen und dem EZB-Statut ein festes fiskal- und geldpolitisches Korsett. Während bei freien Wechselkursen relativ zügig notwendige Anpassungen zwischen den nationalen Wirtschaften möglich sind, wurde mit dem Euro viel zu früh ein System fester Wechselkurse eingeführt. Man glaubte, durch politisch gesteuerte Umverteilung in der Eurozone eine Angleichung der Wirtschaftsräume innerhalb der Eurozone zu bewirken. Das Fehlen einer zentralen fiskalpolitischen Steuerung führte in Verbindung mit dem einheitlichen Währungsraum dazu, dass die Unterschiede wuchsen, statt zu verschwinden.

    Mit dem Fiskalpakt wird nun versucht, den Maastricht-Gedanken noch weiter zu treiben. Ein komplexes System unterschiedlicher Volkswirtschaften soll durch ein festes, automatisiertes Regelwerk gesteuert werden, das sich zwar vordergründig (nur) auf die Staatsfinanzen ausrichtet, aber hierüber enorme Konsequenzen für die Gesamtwirtschaft hat.

    Der Fiskalpakt ist aus zwei Gründen eine neoliberale Neuauflage:

    (1) Neoliberalismus und festes Regelwerk – ein Widerspruch in sich? Nein, in diesem Fall nicht. Der Neoliberalismus unterstellt eine inhärente Stabilität des privaten Sektors, also ein stationäres „System“. Das unterstellt, genügt für die Steuerung solcher Systeme ein Set fester Regeln, die automatisch und ohne Verzögerung greifen. Solche Regeln soll der Fiskalpakt festschreiben.
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    Klaus Singer
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    Verfasst von Klaus Singer
    Fiskalpakt – neoliberale Neuauflage - Seite 2 Den Fiskalpakt kann man von verschiedenen Richtungen aus angehen – die Kritik hieran läuft immer darauf hinaus, dass demokratische Strukturen vernichtet und der Einfluss der Finanzindustrie auf die Politik ausgebaut wird. Mein Ansatzpunkt hier …