Finanzmärkte
Der negative Draghi-Effekt - Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Kann man einen Präsidenten der Europäischen Zentralbank falsch verstehen, wenn er sagt, die Notenbank „werde im Rahmen ihres Mandats alles notwendige tun, um den Euro zu erhalten“? Und wenn er dann noch ergänzt: „Glauben Sie mir, das wird ausreichen.“ Spätestens seit gestern wissen wir, man kann.
Besser gesagt, den Investoren rund um den Globus ist klar geworden, dass Notenbanker nicht gleich Notenbanker ist. Hat sein Vorgänger Trichet auf einer Pressekonferenz zum Beispiel „grosse
Wachsamkeit“ angekündigt, wurden die Finanzmärkte auf eine bevorstehende Zinserhöhung vorbereitet, die dann auch punktgenau auf dem nächsten Treffen folgte.
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Genau wie den Umgang mit den Worten muss Mario Draghi wohl aber auch noch lernen, wie weit seine eigentlichen Kompetenzen gehen. Ob Frau Merkel in der vergangenen Woche auch mit ihm aus ihrem
Urlaub in Südtirol telefonierte? Sein Bundesbank-Kollege Weidmann zumindest machte in diesen Tagen seinen Widerstand gegen weitere Anleihekäufe mehr als deutlich. Gleich mehrere seiner Kollegen
wollten die hohen Erwartungen nach Draghis Rede dämpfen und einer meinte laut „Welt“ gar, ihr Präsident hätte sich rhetorisch wohl etwas vergaloppiert. Aber alles half nichts. Selbst kurz nach
Beginn der Pressekonferenz schnellten DAX und Euro noch in die Höhe in der Hoffnung, gleich hole Draghi die „Bazooka“ raus und versorge die Krisenstaaten ab jetzt mit soviel Geld, dass jede
Spekulation auf eine Pleite des Landes vorab zum Scheitern verurteilt wäre.
Als aber auf einmal klar wurde, auf die Worte eine Woche zuvor würden heute noch keine Taten folgen, passierte das, was ich in meinem Kommentar am Montag schon angekündigt hatte. Die Enttäuschung
der Anleger entlud sich in Verkäufen in allem, was in der letzten Woche gestiegen war. Der DAX fiel wie ein Stein von in der Spitze über 6.850 Punkten auf unter 6.600 Punkte und der Euro, um fünf
nach halb drei noch über die Marke von 1,24 US-Dollar geschaut, liegt heute morgen wieder unter 1,22 US-Dollar. Eine Korrektur mit Ansage, denn eines muss man Draghi zu Gute halten: Die
Erwartungen, die die Märkte an ihn hatten, hätte er wahrscheinlich wirklich nicht erfüllen, gar übertreffen können. Aber das er so wenig konkret wird, habe ich nicht erwartet.
Dennoch sehen einige EZB-Beobachter in Draghis Worten von gestern sehr wohl ein „starkes Signal“. Denn die EZB wird intervenieren, aber nicht ohne, dass Staaten wie Italien und Spanien sich den
Bedingungen unterwerfen, die unter dem Rettungsschirm gelten. Zuvor ist also weiterhin die Politik gefordert. Ohne konkrete Spar- und Reformmaßnahmen gibt es kein Geld von der Notenbank. Das ist in
meinen Augen konsequent und auch richtig. Es stellt sich für mich aber die Frage, wie weit darf das Sparen gehen, ohne jegliche Chance auf Wachstum schon im Keim zu ersticken. Diese Diskussionen
mit der „eisernen Lady“ Merkel auf der einen und dem Spanier Rajoy und dem Italiener Monti auf der anderen Seite werden also weiter gehen. Und mit jedem weiteren Anstieg der Zinsen für diese Länder
am Kapitalmarkt wird Deutschland von ihrer Position mehr und mehr abrücken müssen. Aber da hat Frau Merkel mit Blick auf die Wahlen im nächsten Jahr einen schwierigen Stand. Aktuell gibt es in
Deutschland nicht viel unpopuläreres als den Euro mit immer mehr Milliarden retten zu wollen. Unpopulär aber richtig, nur damit gewinnt man eben keine Wahlen.
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Bleibt noch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Mitte September, ohne die vorher gar nichts in Sachen Rettungsschirm geht. Die Unsicherheit über den Fortgang und vor allem einen Ausgang
der Euro-Krise ist mit dem gestrigen Donnerstag definitiv nicht zurück gegangen. Zurück gegangen sind erst einmal nur die Kurse, allerdings ist der positive Draghi-Effekt noch nicht ganz
neutralisiert worden. Ich gehe auch nicht davon aus, dass wir die Kurse im DAX (6.350) und Euro (1,2050 USD) vor der Draghi-Pressekonferenz in London in den nächsten Wochen unterschreiten werden.
Interessant heute Nachmittag werden die US-Arbeitsmarktzahlen, ein signifikantes Unterschreiten der erwarteten Zahl von 110.000 neu geschaffenen Stellen würde dann wieder die Spekulationen auf eine
Liquiditätsspritze namens QE3 auf der anderen Seite des großen Teiches wieder anheizen. Es bleibt also spannend.
Mit Blick auf die renditeschwachen Alternativen und der hohen Liquidität am Markt, die Anlage sucht, könnte ich mir auch vorstellen, dass die oben genannten Kurse nicht mehr erreicht werden und der
Markt jetzt weiter nach oben läuft. Denn die Taten der EZB sind nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben und sollten das nächste Mal von Mario Draghi nur etwas besser vorbereitet werden.
Damit er nicht wieder dieses auf die Nachfragen von Journalisten zu seinen Worten eine Woche zuvor antworten muss: „Haben Sie meine Rede gelesen? Es gab darin keinerlei Hinweis auf ein
Anleihekaufprogramm für Staatsanleihen.“ Ein wenig trotzig, aber richtig.
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