Puerto Rico
Wenn das Paradies zur Hölle wird - UBS lockt Anleger in die Anleihe-Falle
Puerto Rico hat massive wirtschaftliche Probleme und das nicht erst seit gestern. Trotzdem verkaufte die UBS ahnungslosen Kunden jahrelang hochriskante Anleihen des Inselstaates. Nun rollt die Klagewelle - und für die Schweizer Bank könnte es ziemlich ungemütlich werden.
Eigentlich hatte Juan Burgos ein Alter erreicht, in dem alles etwas ruhiger zugehen sollte. Die wilden Jahre waren vorbei. Jetzt, mit 66 Jahren, wollte er sich zur Ruhe setzen und seinen Lebensabend genießen. Damit er sich finanziell keine Sorgen mehr machen muss, wandte er sich an die Brokerin seines Vertrauens. Diese überzeugte ihn, seine kompletten Ersparnisse, immerhin 1.125.000 US-Dollar, in einen geschlossenen Fonds mit puertoricanischen Kommunalanleihen zu investieren. Eine Entscheidung, die Burgos heute bitter bereut, denn dann wäre ihm nicht nur ein finanzielles Desaster erspart geblieben, sondern auch eine nervenaufreibende juristische Auseinandersetzung mit der Schweizer Großbank UBS.
Wie „ZEITonline“ berichtet, läuteten vor knapp zwei Jahren bei Burgos erstmals die Alarmglocken, als er in den Nachrichten vom desolaten Wirtschaftszustand Puerto Ricos hörte. Ein Blick auf sein Investment bestätigte Burgos' Vorahnung: Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 205.000 US-Dollar verloren. Sofort kontaktierte er seine UBS-Brokerin. Doch diese erklärte ihm: „Auch dünne Kühe geben Milch.“ Das geht aus den Unterlagen der Financial Industry Regulatory (Finra) hervor, einer US-Schlichtungsstelle, die den Fall untersuchte.
Puerto Rico-Anleihen werden zum karibischen Desaster
Burgos ließ sich nicht beirren und drängte auf eine Auszahlung. Aber statt den 450.000 US-Dollar, die seine Anteile laut Kontoauszug wert sein sollten, bot UBS ihm im Herbst 2013 gerade mal 90.000 US-Dollar an. Am Ende blieben Burgos von den investierten 1.125.000 nur noch 388.000 US-Dollar. Die restlichen 737.000 US-Dollar hat er laut Beschwerdeschrift seines Anwalts verloren.
So wie Burgos erging es wohl Hunderten von Investoren. Sie alle hatten sich von UBS zum Kauf von hochriskanten Kommunalanleihen überzeugen lassen – und fuhren damit mit Vollgas gegen die Wand. Mittlerweile ist nicht nur Puerto Rico de facto zahlungsunfähig (siehe: Der Tag, an dem Puerto Rico pleite ging), auch viele UBS-Anleger stehen vor dem finanziellen Ruin. Eine von ihnen ist Jaqueline Torres. Sie investierte 525.000 US-Dollar in einen geschlossenen Fonds der UBS. Seither haben ihre Anteile 400.000 US-Dollar an Wert verloren. Besonders dramatisch: Das Geld stammt aus einer Schadensersatzzahlung für ihre beiden Töchter, die bei einem Autounfall ums Leben kamen. Im Januar soll ihr Fall ebenfalls vor der Finra verhandelt werden.
„Die UBS war DER Player schlechthin“
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Ihr Anwalt, Peter Mougey, erhebt schwere Vorwürfe gegen die UBS. Seine Mandantin sei ihrem Broker ausgeliefert gewesen, da sie selbst über keinerlei Wissen im Finanzbereich verfüge, zitiert ihn „ZEITonline“. Beispielsweise seien die Infobroschüren der Anleihen, die UBS übrigens ausschließlich im (vorwiegend spanischsprachigen) Puerto Rico vertrieb, nur in englischer Sprache verfasst gewesen. Darüber hinaus beklagt er „massive Interessenskonflikte innerhalb der UBS“. So sei die Schweizer Bank sowohl auf der Seite der Emittenten, als auch der der Käufer aufgetreten, sprich: Die UBS hat gleich doppelt verdient. Zum einen beim Verkauf der Anleihen und zum anderen durch die Verwaltung eben jener Papiere.
Tatsächlich war die UBS auf dem puertoricanischen Anleihemarkt so aktiv wie kaum eine andere Bank. Craig McCann, Anwalt weiterer Geschädigter, geht sogar so weit zu sagen: „Die UBS war DER Player schlechthin auf dem puertoricanischen Markt für diese Bonds, es gab sonst niemanden.“
Die Klagewelle rollt
Inzwischen liegen der Schlichtungsstelle schon über 900 Beschwerden vor, Tendenz steigend. Sie alle werfen der Bank mangelnde Transparenz, mangelnde Informationspolitik und mangelnde Unabhängigkeit vor. Bei der UBS bereitet man sich jedenfalls auf die drohende Klagewelle vor – laut letztem Quartalsbericht hat die Bank vorsorglich 1,1 Milliarden US-Dollar für Schadensforderungen zurückgestellt.
Aus gutem Grund, denn die Chancen der geschädigten Anleger stehen nicht schlecht und das ausgerechnet dank der UBS selbst. Diese setzte den Wert der besagten Anleihen „Reuters“ zufolge kürzlich auf Null. In einem Schreiben an die Investoren heißt es zudem, die Bank akzeptiere die Anleihen fortan nicht mehr als Sicherheit. Beobachter werten das als klares Schuldeingeständnis: Damit gebe UBS de facto zu, ein schlechtes Produkt verkauft zu haben, das sie selbst für zu riskant hielten.
Übrigens: Juan Burgos hat seinen Kampf gegen die UBS schon ausgefochten – mit Erfolg. Der Beschluss der Finra ist ein klare Fingerzeig in Richtung der Schweizer Bank: Die UBS habe Burgos eine gänzlich ungeeignete Anlage verkauft und sogar wissentlich eigenes Risiko auf ahnungslose Kunden wie ihn abgeschoben, heißt es darin. Für Burgos hat das Drama also doch noch ein Happy End. Er kann sich laut „ZEITonline“ über eine Entschädigung in Höhe von einer Million US-Dollar freuen. Aber wie wird es Jaqueline Torres und all den anderen ergehen?