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    Hans-Werner Sinn  1865  0 Kommentare „Deutschland muss Maastrichtvertrag kündigen“ - Seite 2

    „Großes Potential für Nachahmer“

    „Die Stimmanteile der euroskeptischen Parteien sind groß“, warnt Sinn. Besonders in Italien seien sie mit 57 Prozent bereits in der Mehrheit. Frankreich und Österreich folgen dahinter mit 33 Prozent. Und sie bekommen Rückhalt aus der Bevölkerung: Auf die Frage „Wollen Sie ein Referendum?“  antwortete vor allem die Mehrheit der Länder, die unter dem Euro leiden mit Ja - darunter Frankreich und Italien. Aber auch in Deutschland seien rund 40 Prozent der Befragten dafür. „Schuld an der Brexit-Entscheidung war das Thema Migration“, sagt Sinn. „Die Briten sind bereits mit der EU-Migration aus dem Osten nicht glücklich. Die aktuelle Flüchtlingskrise war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“ Das sei ein Signal an alle anderen Länder: „Das Thema Migration kann alles umwerfen, wenn man es nicht in den Griff bekommt.“ Dies spiegele sich ebenfalls in den Umfragen wider: „In Griechenland beispielsweise sind 94 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Flüchtlingspolitik der EU.“ Migration sei das dominierende Thema. 

    London stirbt?

    Ja, es werde viele Einschränkungen für London geben, glaubt der Ökonom. „Im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich beispielsweise hat der Finanz- und Versicherungsdienstleistungssektor in Großbritannien einen erheblichen Anteil am Bruttoinlandsprodukt.“ Die EU aber werde die Schotten dicht machen. Und Frankfurt, Paris und Luxemburg stehen bereits in den Startlöchern. Gleichzeitig, so der Volkswirt, sei eine „Heilung der Holländischen Krankheit“ möglich. „Das Wachstum Londons hat die Industrie in Großbritannien vernichtet. Dies könnte sich jetzt wieder umkehren: Die Menschen, die in den Industriegebieten leben werden profitieren.“

    Für Deutschland dagegen kann der Ökonom nichts Positives finden: „Großbritannien ist der drittgrößte Absatzmarkt der deutschen Exportindustrie. Zudem werden sich auf EU-Ebene die Machtverhältnisse enorm verschieben, denn mit einem Brexit ändern sich die Entscheidungsregeln für Abstimmungen im Ministerrat.“ Durch eine sogenannte Sperrminorität können Beschlüsse im Ministerrat verhindert werden. Dazu müssen 45 Prozent der EU-Staaten beziehungsweise so viele Staaten, dass 35 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert werden, gegen einen Beschluss stimmen. „Frankreich, Italien und Spanien kommen zusammen auf etwa 34 Prozent; England zusammen mit den Niederlanden, Österreich, Deutschland und Finnland auf 35 Prozent. Daher stammt auch die 35-Prozent-Regel.“ Das sei nun Vergangenheit:  „Ohne die Briten kommt Deutschland mit den anderen Ländern nur noch auf 25 Prozent und Frankreich, Italien und Spanien auf 39 Prozent.“ Aus diesem Grund habe sich Frankreich auch nicht um einen Verbleib der Briten bemüht. TTIP, Ceta – sinnbildlich für Freihandel - seien damit gescheitert. „Dafür werden Staaten immer mehr in das wirtschaftliche Geschehen eingreifen.“ Das Ziel sei jedoch nicht etwa ein gemeinsamer Europäischer Staat, sondern eine „gemeinsame Europäische Kasse“, warnt Sinn. 

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    Verfasst von 2Euro Advisor Services
    Hans-Werner Sinn „Deutschland muss Maastrichtvertrag kündigen“ - Seite 2 Nach der Entscheidung der Briten die EU zu verlassen, herrscht vor allem Ratlosigkeit: Wie geht es weiter? Prof. Hans-Werner Sinn, ehemaliger Chef des ifo-Instituts, hat einen klaren Weg vor Augen. Auf dem zweiten €uro Fund Forum in München macht er deutlich, vor welcher Gefahr die europäische Idee steht und wie sie gerettet werden kann.