Kostolanys magische Herrchen-Linie: dein profitabelstes Werkzeug
André Kostolanys Aktienmarkt-Metapher vom Hund an der Leine begleitet mich seit vielen Jahren. Einprägsamer könnte man nicht aufzeigen, warum die Geldanlage in Aktien langfristig erfolgreich ist. Aber noch wichtiger: Daraus lässt sich ein konkretes Werkzeug basteln, das uns über Jahrzehnte beiseite steht und eine Menge Ärger ersparen kann – ganz ohne Charttechnik.
Darum geht es
André Kostolany, der gewiefte alte Spekulant und Kolumnist, hinterließ uns eine Weisheit, die jeder Anleger kennen sollte:
„Mit der Wirtschaft und der Börse verhält es sich wie mit dem Mann und seinem Hund beim Spaziergang. Der Mann läuft langsam und gleichmäßig weiter. Der Hund läuft vor und zurück. Aber beide bewegen sich in dieselbe Richtung. Der Mann ist die Wirtschaft, der Hund die Börse.“
Vielleicht nehmen wir uns einen Moment, um das Bild vor dem inneren Auge zu visualisieren. Wir sehen einen Hund, der die Leine manchmal weit nach vorne zieht, gelegentlich hin und her hechelt und dann plötzlich nach hinten hetzt, bis er nach einiger Zeit zum Herrchen zurückkehrt.
Das sind sehr ähnliche Zickzack-Linien, wie wir sie an der Börse sehen können. Kurzfristig ist es der Hund, der den Takt vorgibt, ob es nach vorne oder hinten geht. Mittel- und langfristig bestimmt jedoch das stur nach vorne spazierende Herrchen die Richtung.
Die Historie zeigt, dass der DAX-Stand sich etwa alle 9 Jahre verdoppelt. Die Metapher dient deshalb nicht nur als Bestärkung für langfristig orientierte Anleger, sondern kann konkret im Anleger-Alltag eingesetzt werden.
Die Herrchen-Linie
Das tägliche Auf und Ab an den Börsen entsteht ja dadurch, dass die Investoren die aktuelle Nachrichtenlage verarbeiten und damit ein faires Bewertungsniveau suchen. Nicht immer sind sie dabei treffsicher, weshalb der Kurs pendelt, während das unsichtbare zentrale Niveau langsam, aber gleichmäßig voranschreitet.
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Deshalb könnte es sinnvoll sein, diese Situation als eine Kurve mit konstanter Wachstumsrate in den DAX-Chart der letzten 25 Jahre zu zeichnen. Mit logarithmischer Skalierung der vertikalen Achse wird sie zu einer Linie.
Es beginnt also Anfang 1992 bei einem DAX-Stand von 1.687. Lass uns zudem 8 % festlegen, eine typische Renditeerwartung von Investoren. Damit ist meine Herrchen-Linie definiert.
Die Regeln
Diese einfache Linie kann uns als Kompass bei unseren Anlageentscheidungen dienen, je nachdem, ob der DAX-Stand oberhalb oder unterhalb der Herrchen-Linie verläuft:
- DAX-Stand darunter: mit Selbstbewusstsein investieren und Depot erweitern
- DAX-Stand darüber, aber nicht mehr als 25 %: vorsichtig weiter investieren, strenge Aktienauswahl
- DAX-Stand mehr als 25 % darüber: nicht mehr investieren, bei weiterem Anstieg in den Bereich von 50 % gegebenenfalls Risikopositionen schrittweise abbauen
Das ist doch mal leicht handhabbar, oder? Aber bringt es auch wirklich Erfolg? Schau hier:
Erfolgreich seit mindestens 25 Jahren
Im ersten Halbjahr 1992 ging es gleich steil nach oben. Das hätten wir uns erst mal in Ruhe angeschaut und unser Pulver trocken gehalten. Da die 25-prozentige Schwelle nicht überschritten wurde, wären wir höchstens vorsichtig einige Positionen eingegangen. In der zweiten Jahreshälfte kamen die Kurse schön zurück, ideal zum Einsteigen.
Bei erstmaligen Kursen über 2.000 Punkten war dann wieder Vorsicht angesagt. Das war gut, denn Ende 1994 konnte unser Depot wunderbar zu günstigeren Kursen ausgebaut werden.
Ab Anfang 1996 begannen die Vorläufer der Dot.com-Hysterie und die Regeln hätten uns frühzeitig zur Vorsicht angehalten. Die 25-prozentige Linie hielt noch bis Ende 1996. Danach gingen die Kurse in Richtung 4.000 Punkte und wir hätten das Kaufen von Aktien eingestellt.
Bei zwischenzeitlichen Kursen von weit jenseits einer 50-prozentigen Linie hätten wir sicherlich auch Gelegenheit gehabt, in kleinen Schritten herrliche Gewinne mitzunehmen. Am besten natürlich bis Anfang 2000, als der DAX das damals fantastische Niveau von 8.000 Punkten erzielte.
Das Platzen der Blase hätten wir mit unseren Regeln danach entspannt verfolgen können. Erst im Mai 2002, bei einem DAX-Stand um 4.500 Punkten, gab die 25-prozentige Linie wieder grünes Licht für vorsichtiges Einsteigen. Zwei Monate später konnten wir wieder mit voller Kraft in ein Tal hinein investieren, das uns bis runter auf etwa 2.400 Punkte führte – Jubelkurse, wie wir heute wissen.
Ab Mitte 2005 deuteten sich die ersten Übertreibungen im Vorfeld der Finanzkrise an und wir schalten einen Gang zurück. Ab Anfang 2007 ging es wieder bis hoch an die 50-Prozent Linie, ein gutes Niveau zum Verkaufen: Bei rund 8.000 Punkten reduzieren wir unser Depot mit riesigen Gewinnen.
Während sich die Finanzkrise entfaltet, beobachten wir wieder entspannt und halten unsere flüssigen Mittel bereit. Als die Kurse Ende 2008 steil fallen, steigen wir wieder ein – zunächst vorsichtig und dann wieder beherzt. Wieder gibt es Aktien zum Spottpreis und es folgt eine lange Phase des gemäßigten Aufschwungs.
Erst Ende 2013 ist wieder etwas Zurückhaltung geboten, als die Kurse schnell in Richtung 10.000 streben und 2015 sogar das bis heute gültige Allzeithoch erreichen. 2016 gab es dann wieder schöne Kaufkurse von teilweise unter 9.000 Punkten. In diesen Tagen ist der Hund mal wieder von hinten zum Herrchen vorgelaufen (DAX-Stand 20.12.).
Das Ergebnis: Mega-Gewinne
Ganz simples Befolgen der oben genannten Regeln mit einem DAX-Fonds hätte uns in den letzten 25 Jahren echten Reichtum bescheren können. Sowohl in den 90er-Jahren als auch in den Nullerjahren und nach der Finanzkrise bis heute hätte sich der Einsatz jeweils etwa verdreifachen können.
Positive Tagesgeldzinsen gab es ja damals auch noch, und mit einer sorgfältigen Aktienauswahl wäre sogar noch mehr Rendite möglich gewesen. Aus 40.000 Euro wäre mit einfachsten Mitteln vielleicht über eine Million geworden.
Es bleibt aber noch eine wichtige Frage zu klären:
Alles nur Charttechnik?
Wenn jemand eine Linie in einen Kursverlauf malt, dann wirkt das wie Charttechnik und viele winken ab. Auch wir Fools halten nicht viel davon und konzentrieren uns lieber auf die Unternehmen selbst, in die wir investieren wollen.
Bei der Herrchen-Linie geht es jedoch keineswegs um Dinge wie Momentum oder Trendbruch, sondern ausschließlich um die Bewertung. Wir wollen einfach nur günstig Aktien einsammeln und zwar gerne schon bevor sich wieder ein klarer Bullenmarkt herausbildet. Die Richtlinie dafür ist der große eine Trend – und dieser ist in meinen Augen ein fundamentales Element der Marktwirtschaft.
Schließlich wird jede einzelne Investition im Mikrokosmos der Wirtschaft durchgerechnet, wobei die erwarteten Rückflüsse im Schnitt (je nach Risikoprofil) mit, sagen wir mal, 8 % abgezinst werden. Diese millionenfachen kleinen Entscheidungen, die vom kleinsten Dorf in Oberbayern bis nach Hamburg und weltweit gefällt werden, aggregieren sich zu einem Ganzen, das wir nach meiner Überzeugung in Kostolanys Herrchen-Linie wiederfinden können.
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