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     1728  3 Kommentare Opportunismus? Demagogisch? Dramatisierung? Nein, zu einfache Lösungen!

    Viele Dinge sehen eigentlich ziemlich einfach aus, erweisen sich im Endeffekt jedoch als beinahe unendlich kompliziert. Und genau diese Tatsache ist es, an der der Populismus derzeit Schiffbruch erleidet.

     

    Im neuen Duden gibt es eine aus meiner Sicht völlig untaugliche Definition von Populismus. Denn da heißt es: von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen.

     

    Das verstehe ich nicht. Opportunismus? Demagogisch? Dramatisierung? Ich habe das eine viel bessere Definition. Sie besteht eigentlich nur aus einem Wort: Vereinfachung. Oder Simplifizierung. Populismus ist für mich, in komplexen und interdependenten Zusammenhängen eine einfache Lösung zu präsentieren.

     

    Das kann man natürlich machen, man kann sich aus tausend Einflussgrößen eine herauspicken und sie zum Alleinschuldigen machen. Doch hilft das weiter?

     

    Hätten die Brexit-Befürworter vorher gewusst, was mit so einem Ausstieg alles verbunden ist, wer weiß, wie die Abstimmung ausgegangen wäre

     

    Etwa 20.00 Regelungen müssen jetzt überprüft werden, in denen die Briten an der EU hängen. Und was ist, wenn man sich dem EU-Recht entledigt, kann man dann noch am EU-Binnenmarkt teilnehmen? Selbst wenn alle wollten, ginge es nicht, weil dann ja ein rechtsfreier Raum entstünde.

     

    Es wird also Kontrollen geben müssen. Doch hier hat natürlich niemand je darüber nachgedacht, dass dafür in den britischen Häfen gar keine Kapazitäten existieren?

     

    Und so geht es weiter und weiter, und es zeigt sich ganz allgemein: Aus der mittlerweile existierenden transnationalen Verflechtung weltweit kann man nur noch schwerlich ausstiegen.

     

    Ob Donald Trump das alles weiß? Ich bin da eigentlich sicher. Und er wird uns bestimmt irgendwann in der Halbzeitpause seiner angekündigten Lösung des Nahostkonflikts in einigen wenigen genialen Twitter-Beiträgen mitteilen, wie das doch gelingt.

     

    Es sei denn, Emmanuel Macron drückt ihm so fest die Hand, dass er nicht an sein Handy herankommt. Vielleicht ist das ja die Lösung. Wie in einer Ehe. Sich so fest zu umarmen, dass niemand mehr loskommt.

     

    Und wenn man genau hinschaut, ist das ja heute schon so. Zum Glück. Denn selbst die schwierigsten Differenzen sind besser als Krieg. Und daran denkt ja heute niemand im Westen auch nur in einem Moment. Was vielleicht den größten Erfolg unserer Politik in den letzten siebzig Jahren ausmacht.

     

    Und alles andere tritt dahinter zurück. Alles.

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Opportunismus? Demagogisch? Dramatisierung? Nein, zu einfache Lösungen! So very kompliziert