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     1185  0 Kommentare It was thirty years ago

    Bei den Beatles hieß es „It was twenty years ago today, Sergeant Pepper taught the band to play“. Der große Crash hingegen wird sich in vier Wochen zum dreißigsten Mal jähren.

     

    Für mich war das eines der einschneidendsten Ergebnisse meines Börsenlebens, und vielleicht meines Lebens überhaupt. Denn ich hatte mich vorher sehr intensiv mit dem Schwarzen Freitag 1929 und der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre beschäftigt – und ich dachte an diesem Tag tatsächlich, jetzt würde die Welt untergehen.

     

    Damals war ich aber auch noch ein junger Spund.

     

    1987 gab es ja noch kein Internet und auch keine Berichterstattung bei uns im Fernsehen. Doch ich hatte das Glück – oder Pech – dieses Ereignis live an einem Reuters-Monitor miterleben zu können, den die Commerzbank in Berlin in einer Geldautomatenhalle allgemein zugänglich aufgestellt hatte.

     

    Am nächsten Tag musste ich zur wichtigsten Tagung der Volkswirte im deutschsprachigen Raum, und es hat mich total geschockt, was ich dort erlebt habe. Denn niemand hatte etwas von dem Crash mitbekommen und niemand fand Interesse daran. Deutschlands wichtigste Volkswirte wussten von all dem gar nichts. Das schien sie allesamt gar nicht anzugehen.

     

    Was sich bei mir noch besonders eingeprägt hat: Im Handelsblatt mit dem deutschen Börsenkursen am Tag nach dem Crash in den USA waren bei fast allen Auslandsaktien, in denen viel Geld von mir steckte, nur gestrichenen Kurse zu sehen. Es gab also keinen Handel mehr.

     

    Ich habe dann noch etwas gewartet und anschließend meine gesamten Aktien, hauptsächlich US-Werte, verkauft. Das hat viel Geld gekostet. Ich habe aber auch viel gelernt. Denn bei den nächsten Krisen habe ich es dann immer anders herum gemacht. So hat sich das Lehrgeld im Endeffekt schließlich als gute Investition erwiesen.

     

    Doch warum erzähle ich gerade heute davon? Weil ich eben auf einen Zeitungsartikel gestoßen bin, in dem es um die 750-Jahr-Feier von Berlin ging, die vorher im Sommer 1987 stattfand. Wie unterschiedlich das in Ost und West gefeiert wurde. Denn damals gab es ja noch eine Mauer – eigentlich unglaublich aus heutiger Sicht.

     

    Und, was, worauf mich dieser Artikel ebenfalls bringt, mich damals beinahe so stark beeindruckt hat wie der Crash, das war der Auftritt von Ronald Reagan vor dem Brandenburger Tor, dem ich das Glück hatte, beiwohnen zu dürfen: „Mister Gorbatschow, tear down this wall!“

     

    Das Allerwichtigste daran ist jedoch für mich heute noch immer, dass am Vorabend in West-Berlin über 50.000 Menschen gegen den Auftritt des US-Präsidenten demonstriert haben.

     

    Damals waren unsere Leute also schon genauso verwirrt wie heute. Nur anders. Und vielleicht ist das bei der Börse heute ja auch so.

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    It was thirty years ago Die Beatles und der Crash