Patient oder Kunde? Über Healthcare Marketing 4.0
Medizinische Einrichtungen haben oft ein gespaltenes Verhältnis zu professioneller Kommunikation. Krankenhaus oder Arztpraxis als Marke zu inszenieren, hat aber für beide Seiten – bei allen ethischen Bedenken – auch positive Effekte.
Im Wettbewerb um Patienten und qualifziertes Fachpersonal setzen Ärzte und Kliniken in
Deutschland bereits seit längerem auf Strategien des klassischen Marketings. Auch der wachsende Kostendruck hat dazu geführt, dass Kommunikation einen größeren Stellenwert innerhalb der
betriebswirtschaflichen Abläufe von Praxen und Kliniken erhalten hat. Es gibt auch einen weiteren systemischen Effekt der Ökonomisierung: Der Patient wird vielerorts zum „Klienten“, „Bewohner“ oder
„Kunden“.
Der Begrif des „Medizinischen Brandings“ wird in Deutschland allerdings noch wenig
genutzt. Hierzulande spricht man eher von Healthcare-, Klinik- oder Praxismarketing oder von Krankenhauskommunikation. Arztpraxen und Kliniken inszenieren sich sprachlich als attraktive Marken, um
ihre Anziehungskraf als Dienstleister und Arbeitgeber zu steigern. Dabei werden die jeweiligen Alleinstellungsmerkmale wie Wochenenddienste, spezielle Untersuchungsverfahren oder auch der Coffee to
go aus Sicht der entsprechenden Zielgruppe perspektiviert.
Das Kernziel ist, Stammpatienten zu gewinnen und die wirtschafliche Grundlage
auszubauen.
Gretchenfrage für Mediziner
Gerade in der gesellschaflichen Wahrnehmung wird es aber häufg als unethisch empfunden, wenn Krankenhäuser und Arztpraxen Marketing betreiben, weshalb sich viele diesem Trend verschließen. Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass die meisten Praxen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eher über zu viele Patienten klagen.
Gleichzeitig haben sie den Wunsch, den Anteil von Privatpatienten zu erhöhen, und das Gefühl, sich besser vermarkten zu müssen. Den Patienten als Kunden zu bezeichnen
und somit ein ökonomisches Konzept auf die Arzt-Patienten-Beziehung zu übertragen, gibt of Anlass zu Diskussion und ist umstritten.
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Der Patient, wörtlich „der Leidende“, steht in einer Beziehung zum behandelnden Arzt, in der er sich unterlegen fühlt. Betrachtet man ihn als Kunden, verändert sich das Verhältnis: Diesem wird, unter anderem durch die Möglichkeit der Wahl der Arztpraxis, Mündigkeit zugeschrieben.