Türkei
„Ich mach mir die Welt – widdewidde witt sie mir gefällt …“
Was haben Recep Tayyip Erdoğan und Pippi Langstrumpf gemeinsam? Beide haben wenig Ahnung von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen. Zusätzlich sind alle beide ziemlich vermögend. Pippi Langstrumpf hat ihr Vermögen geerbt. Recep Tayyip Erdoğan dagegen stammt aus eher ärmlichen Verhältnissen, sein Vermögen stieg erst analog mit seinem politischen Aufstieg. Beobachter schätzen es mittlerweile auf mindestens über 150 Millionen Euro. Während Pippi Langstrumpf immerhin zugibt mit “Plutimikation” noch nie was am Hut gehabt zu haben, soll Recep Erdoğan sogar über einen wirtschaftswissenschaftlichen Abschluss verfügen, auch wenn das umstritten ist.
Das mag auch die Begründung dafür sein, dass er Ursache und Wirkung beim Zusammenspiel von Leitzinsen völlig durcheinanderbringt. Denn die Volkswirtschaft der Türkei steht seit einigen Monaten massiv unter Druck. Zwar kann die Regierung Erdoğans auf ein beeindruckendes Wachstum von 7,4 Prozent im vergangenen Jahr verweisen, es mehren sich allerdings die Zweifel an den offiziellen Zahlen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, die Inflation zieht massiv an und liegt bereits bei rund elf Prozent. Das Wachstum gründet sich im Wesentlichen auf den heimischen Konsum. Seit Jahren befinden sich die Türken in einem wahren Kaufrausch. Überall im Land entstehen neue Einkaufzentren. Weitere Treiber sind große Bauprojekte des Staates und die Investitionen von Firmen. Dabei ist jedoch fast alles auf Kredit finanziert. In der Folge gerät die türkische Lira an den Kapitalmärkten immer mehr unter Druck und verliert an Wert.
Niedrige Zinsen gleich niedrige Inflation?
Für den Vorzeige-Ökonomen Erdoğan ist der Schuldige natürlich schnell identifiziert. Neben der unvermeidlichen ausländischen Verschwörung sind die Zinsen in der Türkei seiner Ansicht nach viel zu hoch. Er ist der festen Überzeugung, und hat es leider auch in einem viel beachteten Bloomberg Interview so geäußert, das „je niedriger die Zinsen sind, desto niedriger die Inflation“. Allerdings steht er mit seiner neuen ökonomischen Theorie in der Welt der Wissenschaft ziemlich alleine da und nach seinem Interview sackte die Lira weiter ab.
Denn nach anerkannter Lehrmeinung ist das Gegenteil richtig. Zentralbanken müssen die Leitzinsen als Reaktion auf zu hohe Inflation erhöhen. Dadurch wird dem Wirtschaftskreislauf Geld entzogen und ein weiterer Anstieg der Inflation begrenzt. Zinssenkungen dagegen sind ein Mittel, um eine Wirtschaft wieder zu beleben und mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen, wenn die Inflation zu niedrig ist.
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Genau aus diesem Grund sollten Notenbanken unabhängig sein, damit die Geldpolitik nicht für kurzfristige Wahlgeschenke der Politik missbraucht werden kann. Denn bei seinen potentiellen Wählern rennt Erdoğan mit seiner Forderung nach niedrigen Zinsen offene Türen ein. Denn natürlich sind verschuldete Unternehmen und Familien gegen steigende Zinsen. Zusätzlich hat er noch weitere Wahlgeschenke angekündigt. Für die über zwölf Millionen Rentner sind unter anderem Einmalzahlungen über insgesamt 2000 Lira (rund 400 Euro) pro Person vorgesehen. Finanziert alles auf Pump, was die Aussichten für die Zukunft wohl kaum verbessert.