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    Bundestag  9303  1 Kommentar EZB-Kritik, Finanzmärkte nicht stabiler und Trennbankensystem

    Zehn Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman sehen einige Analysten eine neue Finanzkrise auf die Gesellschaft zurollen. Anders beurteilt Gerhard Schick die Lage, denn für ihn sind wir noch mitten in der Bewältigung der letzten Krise. Welche weiteren Stimmen gab es im Bundestag?

    Jörg Cezanne (Die Linke) konstatiert: „das internationale Finanzsystem ist von Stabilität immer noch weit entfernt“. In seinen Augen blieben die umgesetzten Maßnahmen zur Regulierung halbherzig und ihr Umsetzung sind "verwässert" oder "gar gescheitert". Weiter führte Cezanne aus, dass laut Angaben der BaFin im Jahr 2016 allein 3,2 Millionen neue Finanzprodukte auf den Markt gebracht wurden, was in seinen Augen so nicht bleiben könne. Und weiter: „Heute hat die größte Schattenbank der Welt – der Vermögensverwalter BlackRock –  das verwaltete Vermögen seit der Krise auf insgesamt 6.300 Mrd. US-Dollar fast verfünffacht - das weitgehend außerhalb jeglicher Bankenregulierung. Das ist gefährlich und muss eingegrenzt werden“.

    Die größte Schattenbank der Welt ist weitgehend unreguliert

    Ein weiteres großes Problem stellen für Cezanne die Spekulationen an den Börsen dar. Die Gefahren, die vom Finanzmarkt ausgehen, werden im wesentlich davon bestimmt, wie groß die Handelsvolumen sind, so Cezanne. Jeder Euro, der nicht in den Kapitalmarkt fließe, würde auch eine Schutzmaßnahme vor einer neuen Krise darstellen. Sein Fazit lautet: „Es gibt also keinen Anlass sich zufrieden zu zunehmen“. In seinen Augen sind weitere Regulierungsmaßnahmen dringend erforderlich. Cezanne: „Zentrale Eckpfeiler zu einer Überwindung des Casino-Kapitalismus sind vorhanden. Sie müssen einsetzt werden. Dazu gehören die Entschleunigung und Schrumpfung der Finanzmärkte zum Beispiel durch eine Finanztransaktionssteuer (…), zum Beispiel durch die Rückbesinnung auf solidarische und umlagefinanzierte Sozialversicherungssysteme (…). Die gescheiterte Riester-Rente gehört zurückgenommen und selbstverständlich ist die Umverteilung von Einkommen und Vermögen von oben nach unten zum Beispiel durch eine Vermögenssteuer, zum Beispiel eine neue Regelung der Erbschaftssteuer ein wichtiges und zentrales Mittel, um zu dem Ziel zu kommen".

    Insolvenzrecht, Staatsanleihen, Bankenrettung

    Antje Tillmann (CDU/CSU) sieht die aktuelle Situation optimistisch, denn sie beginnt ihre Rede mit dem Hinweis darauf, dass in den vergangenen Jahren international und national mehr als 40 Gesetze geschaffen wurden, um die Märkte sicherer zu machen und den Verbraucher zu schützen. Dazu gehört u. a. die Maßnahme, dass Banken eine höhere Eigenkapitalquote bräuchten - seit 2014 neue Normen. Ferner sind die Banken im Euroraum besser aufgestellt, so zitiert Tillmann eine Studie. Ferner sei es gelungen, die ausfallgefährdeten Kredite bei den Banken zu reduzieren. Es gebe große Unterschiede im Euroraum, denn während in Deutschland 2,5 Prozent der Kredite ausfallgefährdet sind, sind es in Italien 15 und in Griechenland 46 Prozent, so Tillmann.

    Zu den großen Herausforderungen und Aufgaben gehöre laut Tillmann eine Harmonisierung des europaweiten Insolvenzrechts. Ferner müssten die Staatsanleihen realitätsgerecht abgebildet und mit Eigenkapital hinterlegt werden, so die Politikerin. Ein großer Fortschritt sei die einheitliche Einlagensicherung für Verbraucher. Für in Krisen geratene Banken soll zukünftig ein sogenannter Abwicklungsfond einspringen, der zu Beginn 2023 über 60 Mrd. Euro verfügen soll. Die zentrale Idee ist, dass nicht die Steuerzahler für notleidende Institute einstehen müssen, sondern diejenigen, die zuvor von den Gewinnen – Eigentümer und Gläubiger – profitiert haben. Neben der Regulierung, die kein Selbstzweck in den Augen Tillmann sein kann, muss ihr Einsatz geprüft werden. Besonders bei kleinen Bank habe man übertrieben reguliert, räumt sie ein.

    Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise

    Alexander Radwan (CDU/CSU) sagt: „Die Staatsschuldenkrise war die Folge aus der Finanzkrise“. Radwan vermutet, dass die nächste Finanzkrise aus einer Richtung kommen könnte, die derzeit nicht reguliert ist. Eine der größten Herausforderungen ist die Zinswende. Darüber hinaus gehen die Amerikaner wieder in Richtung der Deregulierung und auch der Brexit stellt eine weitere große Herausforderung für die Finanzmärkte dar, so Radwan. In den Augen von Radwan wurden die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise und Staatsschuldenkrise gelöst.

    Es wird zu einer Rezession und Depression kommen, so Stefan Keuter

    Stefan Keuter (AfD) sagt: „(…) wir sind jetzt in einer so gefährlichen Situation, wie wir sie noch nicht einmal 2007/2008 hatten“, und zitierte damit Jean-Claude Trichet. Keuter spricht von „einer verfehlten Zins- und Geldmengenpolitik der EZB“. Und weiter „Es bauen sich gigantische Risiken und Haftungsverbindlichkeiten auf“. Besonders dramatisch sei die „kalte Enteignung unserer Sparer“. Es wird zu einer Rezession und Depression kommen, so Keuter. Dann würden die Haftungsverpflichtungen für Deutschland ein großes Problem werden. Besonders der aktuelle Umgang der Regierung mit den zur Verfügung stehen Geldern sei ein Risiko, denn wichtige Investitionen werden in den Augen des Politikers vernachlässigt.

    Keuter sagte: „Die GroKo hat fertig“. Der Euro sei das größte Problem und in Deutschland brauche man ein höheres Zinsniveau als in schwächeren Ländern, so Keuter. Daher plädiert er für eine unabhängige Notenbank. Franziska Gminder (AfD) zitierte ein Artikel aus der „WELT“ (vom 13.09.) in dem aufgeführt wurde, dass die Finanzkrise Deutschland bislang 59 Mrd. Euro kostete und jede vierköpfige Familie wurde mit 3.000 Euro belastet. Die ergriffenen Maßnahmen hätten nichts genützt, denn erneut stünde man vor einem Crash am Aktien- und Immobilienmarkt, so Gminder. Und weiter „Die Niedrigzinspolitik der EZB, seit März 2016, hat die öffentliche und private Verschuldung rasant anwachsen lassen“.

    Gminder prognostiziert: „Die Ursachen für die letzte und die wahrscheinlich nächste Finanzkrise liegen aber in der nicht-risikokonformen Verzinsung von Anlagen, Staatsanleihen sowie von Unternehmensanleihen, wie sie uns die EZB unter Herrn Draghi schon seit Jahren aufzwingt“. Ferner plädiert sie für einen deutsche Nachfolger an der EZB-Spitze. Gminder sagt über die Folgen des Niedrigzinsumfelds, dass so die Altersvorsorge der Bürger geschwächt und die Sparer enteignet werden, denn sie diene alleine zur Rettung des Euros. Abschließend plädiert Gminder für ein Trennbankensystem.

    "Mit Europa gewinnen wir. Ohne Europa verlieren wir.", meint Metin Hakverdi

    Metin Hakverdi (SPD) bezieht eine andere Position und sagt: „Die Finanzkrise hatte uns damals kalt erwischt. In der Eurozone hatten wir weder den institutionellen noch rechtlichen Rahmen, um mit der Krise fertig zu werden. Die erste und wichtigste Lektion der Finanzkrise heute lautet, der einzelne Nationalstaat kann in einer globalisierten Finanzwelt nicht allein Krisen vorbeugen oder diese im Falle ihres Ausbruchs allein beherrschen“.

    Für Hakverdi ist der Umgang mit der Finanzkrise eine Erfolgsgeschichte europäischer und globaler Zusammenarbeit, denn ohne ein internationales Vorgehen hätte die Krise noch schwerwiegendere Folgen gehabt. Darüber hinaus plädiert der Politiker für europäische Lösungen und Institutionen, denn „Europa ist unser gemeinsames Haus. Mit Europa gewinnen wir. Ohne Europa verlieren wir“. Darüber hinaus darf bei der Regulierung des Bankenmarkts nicht nachgelassen werden, so Hakverdi.

    Nichts gelernt, denn weiterhin Wachstum durch noch mehr Schulden

    Frank Schäffler (FDP) vertritt die Auffassung, dass man nicht so viel aus der Krise gelernt habe, denn die weltweite Verschuldung ist in den vergangenen zehn Jahren um 40 Prozentpunkte gestiegen und die Wirtschaftskraft nur um 25 Prozent gewachsen. Im Kern wurde Wirtschaftswachstum durch noch mehr Schulden produziert, so Schäffler. Die ergriffenen Regulierungsmaßnahmen haben nicht die Lebensversicherungen oder Bausparkassen sicherer gemacht, sondern „im Kern entstehen immer größere Konglomerate, die wir immer schwächer kontrollieren können“, lautet Schäfflers Urteil.

    Die Zinspolitik der EZB und Fed habe zur Schuldenspirale geführt, so Schäffler. In seinen Augen waren es immer auch staatliche Institutionen die versagt haben und nicht nur die Banken. Aus diesem Grund plädiert Schäffler für ein neues Haftungsprinzip. Ferner spricht sich der Politiker für eine baldige Zinswende bei der EZB aus und das ihr Ankaufprogramm noch schneller zurückgefahren wird.

    Die Finanzkrise ist nicht vorbei und es braucht eine "echte Finanzwende"

    Es sprach Dr. Gerhard Schick (B90/Grüne) und konstatiert, dass es keinen Rückblick auf die Finanzkrise geben könne, denn „(…) trotz der vielen Regulierungsmaßnahmen(…) ist die Finanzkrise leider nicht vorbei. Und gerade auch nicht in Deutschland“. Und weiter: „Wir sind immer noch mitten drin in der Bewältigung dieser Finanzkrise“.

    Finanzkrisen sind auch immer große Herausforderungen für die Demokratie eines Landes, so Schick. Sein Zwischenfazit lautet: „Heute sind die Finanzmärkte leider nicht stabiler als 2007 im Vorfeld des Ausbruchs der Finanzkrise die uns heute noch beschäftigt. Die Schulden sind weiter angewachsen, schneller gewachsen als die Wirtschaftsleistung, die großen Banken, die damals schon zu groß waren, sind weiter gewachsen und die Menge an intransparenten Finanzprodukten hat weiter zugenommen“. Aus diesem Grund können die bisherigen Bemühungen nicht ausreichend sein, so Schick.

    Der Politiker plädiert für einen neuen Anlauf zu einer „echten Finanzwende“. Ein wichtiger Punkt für Schick ist der Immobilienmarkt, denn Immobilien seien immer mehr von einem Gebrauchsgut zu einem Finanzprodukt geworden. Die zweite Dimension ist der Verbraucherschutz bei Finanzprodukten: „Intransparente Finanzprodukte, die Betrug Tür und Tor öffnen und wo man Gebühren verstecken kann, müssen der Vergangenheit angehören“, so Schick. In seinen Augen muss der Finanzmarkt für Bürger da sein und „(…) nicht im wesentlichen eine intransparente Spielwiese, wo sich ein paar Experten möglichst viel Geld schaffen können“.

    Bundestag, Sitzung am 28.09.2018.





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