Kommentar
Der Sound der Börse - Seite 2
Starke Kurse: bullish oder bearish?
Nun sollte aber inzwischen allgemein bekannt sein, dass insbesondere Stimmungsextreme häufig antizyklisch zu werten sind. Wenn also die Fondsmanager so bearish sind wie seit 2008 nicht mehr – also seit dem letzten großen Crash – dann könnte das tendenziell eher ein positiver Faktor sein. Dazu passt, dass auch die Stimmung der US-Privatanleger unlängst auf einem zyklischen Tief notierte und sich seitdem nicht wesentlich gebessert hat – und das trotz des kurz danach erreichten Allzeithochs im S&P 500.
Damit kommen wir zum zweiten Punkt, der mir in vielen bearishen Kommentaren aufgefallen ist: die kritisch bewertete charttechnische Lage. Unisono wird darin kritisiert, dass die US-Märkte immer noch „so hoch“ stehen. Denn das könne ja eigentlich nicht sein, so der einhellige Tenor, schließlich wurden die Gewinne inzwischen so kräftig reduziert (siehe Börse-Intern vom 28.06.2019), dass die Bewertungen längst wieder übertrieben seien. Logische Konsequenz: Die Kurse können eigentlich nur noch fallen und alle, die jetzt nicht verkaufen, werden schon noch sehen, was sie davon haben.
Der Markt hat immer Recht! Oder doch nicht?
Das ist natürlich möglich, doch die Kurse stehen nun einmal da, wo sie stehen, und bis zum Beweis des Gegenteils gilt die alte Regel: Der Markt hat immer Recht!
Solche Basta-Argumente helfen aber auch nicht wirklich weiter. Also schauen wir ganz sachlich, warum der Markt doch Recht haben könnte. Ein wichtiger positiver Aspekt ist natürlich die schon erwähnte schlechte Stimmung: Wenn die Fondsmanager tatsächlich so bearish sind und sich sogar schon entsprechend abgesichert haben, ist von dieser Seite kein größerer negativer Druck auf die Kurse mehr zu erwarten. Gleiches gilt für die Privatanleger, die inzwischen ihre Gewinne mitgenommen haben. Dass also diese negative Stimmung und die entsprechenden Verkaufsaktionen der Anleger die Kurse bisher nicht stärker gedrückt hat, ist doch ein sehr positives Zeichen!
Ab wann was eingepreist ist
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Aber was ist mit den 20 (oder mehr) „objektiv“ negativen Faktoren? Die meisten davon (z.B. Brexit) sind schon seit langem bekannt. Darüber hinaus haben einige schon eine längere Entwicklung hinter sich (z.B. der Handelsstreit USA-China), so dass sich Muster erkennen lassen, wohin sie höchstwahrscheinlich führen werden. Die Börsianer hatten also genug Zeit, um alle möglichen Auswirkungen zu bewerten.