Die Unverzichtbaren
Infrastruktur-Aktien: Welche sollten Börsianer jetzt auf dem Schirm haben? - eine Auswahl
Ohne eine gut ausgebaute Infrastruktur würden unsere Wirtschaft und unser Zusammenleben nicht funktionieren. Unternehmen, die dafür die Grundlagen liefern, sind an der Börse gefragt. Markus Wessel, Gastautor der wallstreet:online-Partnerredaktion Smart Investor, hat sich ausgewählte, tragende Titel genauer angesehen:
Hanseatische Zuverlässigkeit
Die Hamburger Hafen und Logistik (HHLA) spürt den Pulsschlag der Weltwirtschaft so unmittelbar wie nur wenige andere Firmen. Die Containerterminals am Hauptsitz Hamburg sowie an
den Häfen Odessa und im estnischen Tallinn sind Teil einer weltweiten Logistikkette, über die vor allem aus Asien die Warenströme nach Europa und Nordamerika gelangen. Insofern haben die globalen
Handelskonflikte auf das Geschäft der HHLA einen nicht unerheblichen Einfluss. Umso bemerkenswerter erscheint der robuste Start in das laufende Geschäftsjahr mit einem deutlichen Anstieg bei Umsatz
(+10%) und Ergebnis (+25%). Dieser ist hauptsächlich auf die Zuwächse im Auslandsgeschäft und auf die Tochter Metrans zurückzuführen. Letztere sorgt in der Intermodalsparte für den Weitertransport
der in den HHLA-Häfen umgeschlagenen Container. Seinen positiven Ausblick hat der Konzern mit Vorlage der Halbjahresbilanz bestätigen: deutliche Steigerung des EBIT und ein Umsatzplus. Wie viele
Infrastrukturtitel lockt die Aktie der Hanseaten mit einer attraktiven Dividendenrendite (3,6%) und steigenden Ausschüttungen.
Planen, Bauen, Fahren, Abheben
Bevor Straßen, Schienen, Brücken, Häfen, Tunnel, Flughäfen oder auch Energienetze genutzt werden können, müssen diese erst einmal gebaut werden. Damit kennt sich der Essener Konzern
HOCHTIEF bestens aus. Tochter Flatiron, Nordamerika, und der Teilkonzern CIMIC, Australien, sind auf diese oftmals komplexen Bauvorhaben spezialisiert. Nach der Fertigstellung der
Verkehrs- und Energieinfrastruktur übernimmt Hochtief häufig auch deren Betrieb und Wartung. Zusammen mit den Einnahmen aus der Immobilienbewirtschaftung sorgt
dieser Umsatzmix für eine Glättung des ansonsten eher volatilen Baugeschäfts. Gemeinsam mit dem italienischen Infrastrukturbetreiber Atlantia und dem eigenen spanischen Mehrheitsaktionär, ACS,
übernahm man 2018 den spanischen Mautbetreiber Abertis, der weltweit über 8.600 Kilometer mautpflichtige Straßen verwaltet. Zuletzt stellte der Hochtief-Vorstand auf der Basis gut gefüllter
Auftragsbücher für 2019 einen Gewinnanstieg auf 640 Mio. bis 680 Mio. EUR (Vj.: 541 Mio. EUR) in Aussicht.
Eine recht ähnliche Aufstellung besitzt die spanische Ferrovial. Deren Tochter Cintra unterhält 26 Mautkonzessionen über eine Gesamtlänge von mehr als 2.000 Kilometern. Gleichzeitig ist der Konzern einer der weltweit größten Flughafenbetreiber. Die Flughäfen London Heathrow (Anteil: 25%) und Denver sind die beiden Schwergewichte in Ferrovials entsprechendem Portfolio. Hinzu kommen die Servicesparte sowie das klassische Baugeschäft. Ferrovial hatte im Herbst 2018 angekündigt, einen Käufer für Teile des oder das gesamte Servicegeschäft suchen zu wollen. Man wolle sich in Zukunft noch stärker auf die profitablen Infrastrukturaktivitäten konzentrieren. An der Börse kam diese strategische Weichenstellung gut an: Seit der Ankündigung liegt das Papier knapp 30% vorne.
Power fürs Depot
Ørsted ist mit einem Börsenwert von über 34 Mrd. EUR eines der Schwergewichte an der Börse Kopenhagen. Bis zum Jahr 2017 firmierte der dänische Energieversorger unter dem Namen
DONG Energy. Wie en vogue grüne Aktien derzeit sind, das zeigt sich an Ørsteds Kursverlauf: Allein seit Jahresbeginn hat der Wert um mehr als 40% zugelegt. Kurzfristig sind daher Gewinnmitnahmen
nicht auszuschließen, zumal die Bewertung (KGV: 38) inzwischen recht anspruchsvoll erscheint. Fundamental setzt der Konzern als grünes Energieunternehmen mit seinen On-/Offshore-Windparks (in
Deutschland: Gode Wind 1 und 2, Borkum Riffgrund 1 und 2), Biomassekraftwerken und Abfallverwertungsanlagen zweifellos auf die richtigen Trends. Im zweiten Halbjahr wird mit „Hornsea 1“ vor der
britischen Küste der größte Offshore-Windpark der Welt fertiggestellt. Gleichzeitig baut der Konzern sein USA- und Asiengeschäft weiter aus. Für die taiwanesischen Offshore-Windparks Changhua 1 und
2a, die im Jahr 2022 ans Netz gehen sollen, gab der Vorstand erst im April grünes Licht.
Kinder Morgan ist der größte Pipelinebetreiber in den USA. Durch das mehrere Zehntausend Kilometer umfassende Pipelinenetz des Unternehmens fließt vor allem Erdgas, dessen Förderung schon seit geraumer Zeit boomt und das dementsprechend eine moderne Transportinfrastruktur benötigt. Folglich konnte das S&P-500-Mitglied allein im ersten Quartal noch einmal neue Projekte im Gesamtwert von 600 Mio. USD in sein Auftragsbuch nehmen. Ein für den Konzern positives Urteil eines texanischen Gerichts macht nun den Weg frei für eine lange geplante Milliardenpipeline. Trotz der starken Kursperformance in den vergangenen Monaten bringt es die Aktie noch immer auf eine sehr attraktive Dividendenrendite von fast 5%. Angesichts eines Cashflowziels von 5 Mrd. USD für dieses Jahr kann sich der Konzern derart großzügige „Geschenke“ problemlos leisten.
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Immer in Bewegung
Als Betreiber der Hongkonger Metro ist die MTR Corporation ein wichtiger Baustein in der Verkehrsinfrastruktur der modernen 8-Mio.-Metropole. Täglich nutzen 5,9 Mio. Passagiere die
von MTR angebotenen Verbindungen, darunter der Shuttle zum Flughafen Hongkong, Hochgeschwindigkeitsverbindungen mit dem chinesischen Festland, Intercity-Züge sowie Busse und Regionalbahnen. Längst
ist MTR auch außerhalb Hongkongs aktiv. So betreibt man einzelne Metrolinien in Peking, Shenzhen, Hangzhou und London sowie das Metronetz von Melbourne und Stockholm. Im Rahmen von
Public-Private-Partnerships ist das seit dem Jahr 2000 börsennotierte Unternehmen zudem an Metroprojekten in Australien und Europa beteiligt. Hinter der Erfolgsformel „Rail plus Property“ stehen
umfangreiche Immobilienprojekte entlang des Streckennetzes. Erste Abschlüsse und Verkäufe konnte MTR längst auch auf dem chinesischen Festland realisieren. Angesichts von stabilen Nettomargen
jenseits der 30% scheint die aktuelle Bewertung (KGV: 26) durchaus angemessen.
Kaum jemand dürfte den Brexit so genau verfolgen wie Eurotunnel-Betreiber Getlink – immerhin sitzt das Unternehmen exakt zwischen den Partnern, die sich mit ihrer Trennung offenkundig so schwertun. An der Börse scheint man das Risiko eines ungeregelten EU-Austritts weiterhin als recht gering anzusehen; zumindest zeigte sich der Kurs der Getlink-Aktie von den Turbulenzen in der britischen Politik recht unbeeindruckt. Gleichwohl besteht ein gewisses Restrisiko, dass der Brexit kurzfristig den freien Personen- und Warenverkehr über den Eurotunnel erschweren könnte. Für Getlink, deren Tochter Europorte im britischfranzösischen Schienengüterverkehr aktiv ist, wird in einem No-Deal-Szenario ein leichter Umsatz- und Ergebnisrückgang zum Vorjahr erwartet. Auch das europäische Vorzeigeprojekt ElecLink – eine Stromverbindung durch den Eurotunnel, die ab dem Jahr 2020 ihren Betrieb aufnehmen und mehr als 1,6 Mio. Haushalte auf beiden Seiten des Kanals versorgen soll – könnte hiervon betroffen sein. Für ein Investment in Getlinks Papier sprechen indes die aufgrund der bis zum Jahr 2086 garantierten Eurotunnel-Konzession langfristig planbaren Cashflows, kontinuierlich steigende Dividenden und die dominante Marktposition im Personen- und Güterverkehr über den Ärmelkanal.
Fazit
Infrastrukturunternehmen gehören schon seit geraumer Zeit zu den Lieblingen der Investoren. Ihre Positionierung in mitunter für das Gemeinwesen und die Wirtschaft unverzichtbaren Bereichen wie der
Energieversorgung und der Verkehrsinfrastruktur sichert ihnen langfristig planbare Einnahmen sowie üppige Cashflows. Allerdings gilt es – zumindest in Teilen – auch eine gewisse
Konjunkturabhängigkeit zu beachten.
Autor: Marcus Wessel, Smart Investor