Die Ruhe vor dem Sturm - Seite 2
Auf welche Gewinnschätzungen die Anleger schauen
Nun werden Sie fragen: Welche positiven Erwartungen? Sven Weisenhaus hatte doch in den vergangenen Monaten mehrfach berichtet, dass die Gewinnerwartungen reduziert wurden! Richtig, und diese Abwärtskorrekturen habe ich nochmals in folgender Grafik zusammengefasst:
(Quelle: Factset)
Sicherlich, wenn man auf diesen Verlauf schaut, besteht zu Optimismus kein Anlass. Aber die Anleger schauen mit Sicherheit auf folgende Grafik:
(Quelle: Factset; * normierte Gewinne bzw. Gewinne pro „Aktie“: 2019 = 100; ab 2020 Schätzwerte)
Danach sollen die Gewinne im kommenden Jahr schon wieder auf dem Niveau von 2019 liegen – und danach wieder/weiter steigen. Und in der Quartalsberichtssaison dürfte es vor allen darum gehen, ob die Unternehmen diese Hoffnung vor allem durch ihre Ausblicke stützen. (Die Ergebnisse dürften denkbar schlecht ausfallen, denn das 2. Quartal 2020 gilt als Tiefpunkt des Wirtschaftseinbruchs in der Pandemie.)
Prognosen sind derzeit Mangelware
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Das Problem ist nur: Kaum ein Unternehmen traut sich mit Prognosen aus der Deckung. Der Datenanbieter Factset beklagt, dass derzeit weniger als die Hälfte der Unternehmen als sonst üblich überhaupt einen konkreten Ausblick geben. Und tendenziell sind das auch eher Unternehmen, die optimistisch sind (oder sein können). Mit Negativem rücken die Firmen nicht so gern raus. Die Pandemie ist zudem ein guter Anlass, um schlechte Ergebnisse zu entschuldigen…
Die Anleger müssen also in den bevorstehenden Wochen der Berichtssaison noch mehr als bisher zwischen den Zeilen lesen. Das könnte zu einigen turbulenten Kursausschlägen führen – je nachdem, welche Interpretation gerade die Oberhand gewinnt. Und die Investoren könnten versucht sein, in dieser undurchsichtigen Phase und vor der Sommerpause (die in den USA traditionell am 4. Juli beginnt und de facto bis zum Labor Day Anfang September anhält) Gewinne mitzunehmen.
So richtig Fahrt nimmt die Berichtssaison allerdings erst Mitte Juli auf (siehe folgende Übersicht). Bis dahin könnten die Kurse noch seitwärts/abwärts in ihren begonnenen Konsolidierungsformationen dümpeln.
(Quelle: ZIR)
Welche Konjunkturdaten die Kurse in dieser Woche bewegen könnten
In der Zwischenzeit sind diverse Konjunkturdaten für neue Bewegungen an den Märkten gut. Am wichtigsten davon dürfte sicherlich der US-Arbeitsmarktbericht am Donnerstag sein. Nach dem (positivem) Paukenschlag im Juni (siehe Börse-Intern vom 05.06.2020) erwarten die Analysten einen weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit, und zwar um ganze 3 Millionen Personen (nach gut 2,5 Millionen im Juni). Die Arbeitslosenquote soll dadurch von 13,3 % auf 12,3 % sinken (was aber immer noch ein historisch hoher Wert wäre).