checkAd

    „Dr.Dr. mit Dr.Dr.“  858  0 Kommentare Ein kritisches Gespräch zum Thema „Selbstvermarktung“ - Seite 2

    Groß: Bei Albert Einstein, den ich als Genie verorten würde, argumentieren Sie genau in die andere Richtung. Nicht die Relativitätstheorie habe den Ausnahmeathleten der Wissenschaft zum Erfolg verholfen, sondern seine gezielte Selbstvermarktung, offenes Haar inklusive? Nun mag er eine geniale Frisur gehabt haben, aber hinter der Frisur war der Geist, der sich eben nicht, zumindest bei Einstein oder auch Steven Hawkings die Behinderung nicht frisieren lässt?

    Zitelmann: Einstein ist ein wunderbares Beispiel. In einem Interview mit der „New York Times“ stellte Einstein sich selbst die Frage: „Woher kommt es, dass mich niemand versteht und jeder mag?“ In einem Gespräch mit einem anderen Journalisten gab er die Antwort: „Ob es einen lächerlichen Eindruck auf mich macht, die Aufgeregtheit der Menge für meine Lehre und meine Theorie, von der sie doch nichts versteht, zu beobachten? Ich finde es komisch und zugleich interessant, dieses Spiel zu beobachten. Ich glaube bestimmt, dass es das Geheimnisvolle des Nichtbegriffenen ist, das sie bezaubert.“ 99,99% der Menschen, einschließlich Ihnen und mir, können doch die Relativitätstheorie und deren Bedeutung für die Physik gar nicht verstehen. Schon gar nicht die Menschenmassen, die Einstein in den USA zujubelten oder die Reporter von Boulevardmedien, denen er gerne Interviews gab. Daher können seine wissenschaftlichen Erkenntnisse allein auch nicht der Grund dafür sein, dass er so populär wurde, wie kein Wissenschaftler vor ihm. Einstein, das zeige ich, verwandte einen großen Teil seiner Zeit darauf, aus sich selbst eine Marke zu machen. Er hielt mehr Vorträge vor einem Massenpublikum als vor Fachkollegen. Und er inszenierte sich so sehr selbst, dass er in Amerika deshalb sogar Ärger mit der Princeton-Universität bekam, die ihn zu Forschungszwecken eingeladen hatte und sich bei ihm über die exzessive Selbstvermarktung beschwerte.

    Groß: Behinderung wird gemein als Manko verstanden und nicht so sehr als Ausweis von Genialität. Behinderte sind schlecht oder wenig integriert, eben am Rande der Gesellschaft verortet. Inklusion ist in weiten Kreisen verfemt. Wie kann ein gewöhnlicher Rollstuhlfahrer oder ein Mensch mit Down-Syndrom Weltberühmtheit erlangen, doch wohl nur, um es mal polemisch zu formulieren, wenn er sich vom One World Trade Center in die Tiefe stürzt. Dann wird das medial getickert, bleibt aber für die Selbstvermarktung letztendlich irrelevant, den der schnelle Tod ist die beste Kultur des Vergessens, natürlich gibt es hier auch Gegenbeispiele wie Marilyn Monroe oder Gracia Patricia.


    Rainer Zitelmann
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen
    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
    Mehr anzeigen
    Seite 2 von 5
    Verfasst von Rainer Zitelmann
    „Dr.Dr. mit Dr.Dr.“ Ein kritisches Gespräch zum Thema „Selbstvermarktung“ - Seite 2 Die Interviews von „Dr.Dr.“ mit „Dr.Dr.“ sind stets etwas Besonderes. Zwei Doppel-Doktoren im kontroversen Gespräch: Stefan Groß spricht mit Rainer Zitelmann – und es geht um viel mehr als nur um Selbstvermarktung.

    Schreibe Deinen Kommentar

    Disclaimer