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    Faszination Betongold  29517  3 Kommentare Finanz-Experte Kommer: "Die Deutschen haben naive Vorstellungen von den Risiken" von Immobilien

    Die Immobilienmärkte boomen trotz der Corona-Pandemie und historische Renditen lassen sich weiterhin beobachten. Wie das Phänomen zustande kommt und warum Anleger oft typische Denkfehler bei Immobilieninvestments machen, erklärt der Vermögensverwalter Dr. Gerd Kommer im Smart Investor.

    Herr Dr. Kommer, auch die Corona-Krise hatte bislang nicht das Zeug dazu, den überhitzten Immo­bilienmarkt in Deutschland zum Ab­kühlen zu bringen. Womit lässt sich die Faszination der Anleger am „Beton­gold“ erklären?

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    Kommer: Der Markt für Gewerbeimmobilien hat coronabedingt schon einen deutlichen Schlag abbekommen. Das ganze Ausmaß dieses Schadens können wir heute noch nicht sehen, weil viele statistische Daten im Immobilienmarkt erst mit mehreren Monaten Verzögerung zur Verfü­gung stehen und weil dieses Datenmate­rial aus strukturellen Gründen gegenüber der zugrunde liegenden Realität – und in der bewegen sich konkrete Anleger ja – geglättet ist.

    Der Wohnimmobiliensektor in Deutschland hat sich bisher in der Tat als erstaunlich resilient herausgestellt. Das muss aber nicht so bleiben, weil er jeden­falls in den Big-Seven-Städten sehr hoch bewertet ist und daher die in die Zukunft gerichteten erwarteten Renditen natürlich weit niedriger sein werden als in den Jahren seit 2008, als der aktuelle Immobilien­boom in Deutschland begann. Corona hat dieses Bewertungsproblem vielleicht noch weiter verschärft.

    Kratzt man ein bisschen an der Oberfläche, wie Sie es getan haben, stellen sich einige Hypothesen der Immobilienfans als Mythen heraus. Welche Punkte übersehen die meisten Anleger?

    Kommer: Generell haben die Deutschen eine naive Vorstellung von den Risiken, die Immobilien mit sich bringen, und viel zu optimistische Vorstellungen von ihren nachhaltigen Renditen, womit ich natürlich nicht die Renditen der letzten zehn Jahre meine. Ein kleines Schlaglicht: In vielen Ländern Europas liegen die inflationsbereinigten Wohnimmobilienpreise heute unter denen von Ende 2007.

    Das gilt zum Beispiel für die Niederlande, Großbritannien, Italien und Spanien. In Deutschland lief die historische Entwicklung allerdings anders: Hier waren die Renditen in den rund 20 Jahren bis etwa 2008 katastrophal schlecht (siehe Abbildung; Anmerkung der Redaktion) und seitdem sehr gut. Viele im Publikum erinnern sich nur an die letzten fünf oder zehn Jahre, Immobilienmakler nach außen hin sowieso.

    Eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die Rendite und die Risiken hat das dabei eingesetzte Fremd­kapital – was viele Anleger offenbar bereitwillig ausblenden?

    Kommer: Ja, sehr wahrscheinlich. Ein Fehler ist, dass viele Immobilieneigentümer primär in Kategorien von Objektpreisveränderungen denken. Sie müssten aber bei kreditfinanzierten Investments in Kategorien von Eigenkapitalveränderung oder -rendite denken. Wenn der Preis einer Immobilie, die ich mit 80 Prozent Fremdkapital finanziert habe, um zehn Prozent fällt, habe ich einen 50 Prozent Verlust auf mein Eigenkapital. In den USA hatte von 2006 bis 2008 ein Viertel aller Haushalte mit kreditfinanzierten Immobilien einen 100 Prozent Verlust auf ihr Eigenkapital – die Immo­bilie war aufgrund von Preisrückgängen weniger wert als der Kreditsaldo. Beton­gold? Wertstabile Immobilien? Hallo?

    Für Anleger gelten Immobilien eigentlich stets als sicherer Hafen, der kaum Schwankungen unterworfen ist. Liegt dies lediglich daran, dass kein täglicher Marktpreis existiert?

    Kommer: In der Tat, das dürfte der maß­gebliche Grund sein. Für Immobilien gibt es keine Börse und damit keinen täglich beobachtbaren Marktpreis. Gäbe es einen solchen, würden alle sehen, dass der Kaiser nackt ist, sprich Immobilienpreise letztlich von Tag zu Tag, Monat zu Monat und Eigenkapitalanteile in Immobilien bei kreditfinanzierten Objekten noch einmal deutlich mehr schwanken.

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    Rhetorische Frage: Nehmen Sie ein börsennotiertes Unternehmen A und ein identisches, nicht-börsennotiertes Unternehmen B – glauben Sie allen Ernstes, dass Unternehmen B des­wegen risikoärmer ist? Glauben Sie, Ihre Wohnung ist deswegen wertstabiler, weil sie Ihnen gehört statt der börsennotierten Vonovia? In Aktienmarktcrashes brechen die Aktien von Immobilienunternehmen im Allgemeinen in ähnlichen Größenordnungen ein wie der Gesamtmarkt. Das war im Wesentlichen auch im Corona-Crash der Fall.

    Nach Ihren Untersuchungen rentierten Immobilien langfristig kaum besser als die Inflationsrate und liegen weit hinter den Renditen am Aktienmarkt. Ist Mieten also generell sinnvoller, als eine selbstgenutzte Immobilie zu besitzen?

    Kommer: Man muss da unterscheiden zwischen Immobilienpreissteigerungen, zu denen es einigermaßen verlässliche langfristige Daten gibt, und Immobiliengesamtrenditen, zu denen es kaum verlässliche Datenreihen gibt, die mehr als zehn oder 20 Jahre zurückreichen. Immobiliengesamtrenditen sind Preissteigerungsrenditen plus Bruttomietrendite minus Kosten für In­standhaltung und Versicherung – zunächst einmal ohne Berücksichtigung von Fremd­finanzierungseffekten.

    Die reinen Preis-oder Wertsteigerungsrenditen von Wohnimmobilien während der vergangenen 50 Jahre liegen im internationalen Durchschnitt mit etwa 1,5 Prozentpunkten über der jährlichen Inflationsrate, in Deutschland sehr deutlich weniger. Diese Wertsteige­rungsrendite ist aber aus zwei Gründen nach oben verzerrt. Sie ist nicht um Qualitäts­verbesserungen im gemessenen Immobilienbestand bereinigt – Statistikfehler Num­mer eins.

    Außerdem fehlen Kauf- und Ver­kaufskosten; diese sind aber gerade bei Immobilien im Vergleich zu Kapitalmarkt­anlagen spektakulär hoch – Statistikfehler Nummer zwei. Zu Ihrer Frage, ob Mieten oder Kaufen rentabler ist: In den vergangenen 50 Jahren war jedenfalls in Deutschland Mieten überwiegend rentabler, nicht jedoch in den letzten zwölf Jahren.

    Im Internet finden sich zuletzt vermehrt Angebote wie etwa Immocation, wo der schnelle Reichtum und passives Einkommen durch den Erwerb von Immobilien propagiert wird. An welcher Stelle hinkt diese Rechnung?

    Kommer: An sehr optimistischen, letztlich rein deterministischen Prognosen, die ins­besondere das Risiko von gehebelten, kreditfinanzierten Investments nur unzureichend berücksichtigen. Eine ernsthafte Validie­rung solcher Prognosen auf der Basis von relevantem historischem Datenmaterial oder Finanzmodellen, die auch Risiko mit­einschließen, findet meines Wissens nicht statt. Auf einer solchen methodischen Basis kann man für jedes geplante Investment tolle Renditen kalkulieren, auch für Palmöl oder Hosenknöpfe.

    Das Interview führte Christoph Karl, Smart Investor.

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    Dr. Gerd Kommer (Foto) ist Gründer und Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Gerd Kommer Invest GmbH. Vor deren Gründung im Januar 2017 war er 24 Jahre im Firmenkundenkreditgeschäft und institutionellen Assetmanagement verschiedener Banken in Deutschland, Südafrika und Großbritannien tätig. Dr. Kommer hat mehrere Finanzratgeberbücher zu Kapitalmarktanlagen und Immobilien veröffentlicht.

    Neugierig geworden? Diesen und viele weitere Artikel lesen Sie im Smart Investor 10/2020.




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    Verfasst vonNicolas Ebert
    Faszination Betongold Finanz-Experte Kommer: "Die Deutschen haben naive Vorstellungen von den Risiken" von Immobilien Die Immobilienmärkte boomen trotz der Corona-Pandemie und historische Renditen lassen sich weiterhin beobachten. Wie das Phänomen zustande kommt und warum Anleger oft typische Denkfehler bei Immobilieninvestments machen, erklärt der …