Die EZB bietet tausendfach alles unter einem Dach - Seite 2
Wenn das Narrativ „Die Inflation ist nur vorübergehend“ zum Naturgesetz erklärt wird
Leider wird das gutherzige Bild der Notenbank durch ungewohnt hohe Inflationsraten getrübt. Doch hat man längst eine Lösung parat: Bei der EZB singt man das Lied von der nur transitorischen Inflation aus voller Brust und so oft, dass es zum europäischen Volkslied werden dürfte. Schon gar nicht wird die Gefahr einer nachhaltigen Inflationierung durch eine sich selbst verstärkende Teufelsspirale aus teuren Rohstoffen, steigenden Löhnen und Verkaufspreisen gesehen. Nein, kein Handlungsdruck, am Ende wird alles gut.
Ebenso verweist man auf ausgleichende Gerechtigkeit: Nach so langer Zeit des Unterschießens der Inflation muss ein Überschießen auch über zwei Prozent erlaubt sein. Da jedoch nicht näher erläutert wird, wie lange man über die Stränge schlagen will, schafft sich die EZB ein wie Gummiband dehnbares Alibi für eine tatsächlich noch lange anhaltende lockere Geldpolitik.
Sicher wird die EZB zukünftig wie auch die Fed von Tapering sprechen. Zumindest auf dem Papier steht ja noch der Stabilitätsauftrag. Doch trotz eventueller Liquiditätsdrosselung wird netto immer noch mehr Geld in die Märkte gepumpt, um die Anleiherenditen bzw. die Kreditzinsen der Euro-Staaten in Schach zu halten. Bloß keine neue Schuldenkrise. Diese Minimal-Stabilität erinnert mich an eine kaputte Uhr. Selbst die zeigt zwei Mal am Tag die korrekte Zeit an.
Des einen Leid, des anderen Freud
Ohnehin bleiben die realen Notenbankzinsen mindestens bis Ende 2023 - unter Berücksichtigung der Inflationsprognosen der EZB - deutlich negativ. Das hat mit restriktiver oder stabilitätsgerechter Geldpolitik so viel zu tun wie die Wüste mit einer blühenden Landschaft. Das war bei der Bundesbank noch anders: Weit überwiegend hat sie darauf geachtet, dass der Leitzins oberhalb der Inflation lag.
Durch geldpolitische Rettung und Inflationsverniedlichung sind mittlerweile die Renditen deutscher Staatsanleihen vor allem nach Preissteigerung dramatisch negativ. Die Zeche zahlen die Zinsanleger. Sie werden entspart und entreichert. Dagegen kommen die Staatshaushalte bzw. die Finanzpolitiker in den Genuss der Entschuldung.
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Warum sollte also ein Finanzpolitiker der Geldpolitik böse sein, geschweige denn eine Rückkehr zur alten Stabilität fordern. Nein, mach bitte weiter so, Du gute und liebe EZB!
Angesichts des zinsseitigen Anlagenotstands können wir Anleger uns aber auch Freude bereiten. Bleiben wir Sachkapital - speziell Aktien - treu.