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    EU-Taxonomie in der Kritik  8676  1 Kommentar ESG-Schwindel der EU: Atom und Erdgas? Ja bitte – "Taxonomie ist Greenwashing"

    Die EU-Taxonomie klassifiziert Atomkraft und Erdgas unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltige Investitionen. Das sorgt für einen Kritik-Sturm. Wir haben ESG-Experten um eine Einschätzung gebeten. Ein Meinungsbild:

    Bislang gab es auf EU-Ebene keine einheitliche Definition und Einordnung von nachhaltigen Geldanlagen. Die sogenannte EU-Taxonomie sollte hier eigentlich Abhilfe schaffen, indem sie Wirtschaftsaktivitäten und Finanzprodukte nach deren Nachhaltigkeit kategorisiert. Damit sollte Greenwashing – grüner Etikettenschwindel – vermieden werden.

    Doch es gibt massive Kritik an der Ausgestaltung der EU-Taxonomie. Denn die EU-Kommission hat entschieden, dass Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke in der Europäischen Union unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig gelten sollen.

    Neue Gaskraftwerke, die maximal 270 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom emittieren, sollen in der EU bis 2030 als nachhaltig eingestuft werden. Für neue Atomkraftwerke gilt: Sie sollen bis 2045 als nachhaltig gelten, sofern es einen Plan für die Endlagerung ab 2050 gibt.

    "Die Entscheidung der EU-Kommission ist ein Fehler und gefährdet die Glaubwürdigkeit des gesamten Sustainable Finance Prozesses", findet Wirtschafts- und Sozialethiker Klaus Gabriel, Vorstand bei CRIC – einem Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage.

    Das zentrale Ziel des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums sei "eine Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit einzuleiten und Kapitalströme entsprechend umzuleiten. Mit der Aufnahme von Atomkraft und Energieerzeugung aus Erdgas in die Liste nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten wird dieser Transformationsprozess aber konterkariert", so Gabriel im Gespräch mit wallstreet:online.

    Ähnlich sieht dies auch Thomas Jorberg, Vorstandssprecher bei der GLS Bank, die sich selbst als größte und älteste sozial-ökologische Bank Deutschlands bezeichnet: "Die Taxonomie verfehlt ihr Ziel und ist in ihrer aktuellen Form Greenwashing, unwirksam und wettbewerbsverzerrend."

    Die unabhängige ESG-Expertin Viola Raddatz vertritt eine ähnliche Position. Gegenüber wallstreet:online erklärte sie: "Aus meiner Sicht sendet die Ankündigung, Investitionen in Gas und Atomkraft als klimafreundlich zu labeln, ein fatales Signal. Die EU-Taxonomie sollte eigentlich ein Meilenstein sein und ein echter Gamechanger für nachhaltige Geldanlagen. Ihre weltweite Vorbildfunktion hat die EU-Kommission mit dieser Ankündigung verspielt."

    Volker Weber, Vorstandsvorsitzender des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), glaubt, dass "mit der Entscheidung pro Atom und pro Gas die EU-Taxonomie zwischen den nationalstaatlichen Interessen zerrieben wird und der Akzeptanz-Verlust der Taxonomie in der Gesellschaft und der Finanzwirtschaft droht". Zukünftig könnte es dann "zwei Klassen von Nachhaltigkeitsprodukten geben": Weniger strikte auf Basis der EU-Taxonomie und striktere auf Basis privatwirtschaftlicher Label wie beispielsweise dem FNG-Siegel.

    Innerhalb der EU formiert sich indes immer mehr Widerstand gegen die grüne Etikettierung von Investments in Atomkraft und Erdgas. Spanien, Österreich, Dänemark und Luxemburg lehnen die EU-Taxonomie in ihrer jetzigen Ausgestaltung strikt ab.

    Österreich und Luxemburg haben sogar damit gedroht, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Taxonomie zu klagen. Rechtsexperten des Centrum für Europäische Politik halten eine Klage für erfolgsversprechend, berichtet die Tagesschau.

    Noch hat das Europäische Parlament vier Monate Zeit, um die Anfang Februar verabschiedete Taxonomie-Verordnung abzulehnen. Dafür braucht es eine Mehrheit im Parlament oder es müssen sich mindestens 20 Mitgliedsländer zusammenschließen. Ohne Mehrheit dagegen tritt die Verordnung automatisch in Kraft.

    Autor: Ferdinand Hammer, wallstreet:online Zentralredaktion




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    Verfasst vonFerdinand Hammer
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