Stresstest Sozialstaat! - Seite 2
Besonders betroffen von einem schlechteren Zahlungsverhalten ihrer Kunden waren 2022 nach Einschätzung der Befragten die Dienstleistungsbranche, die Immobilienwirtschaft – beispielsweise Vermieter – sowie Versorger. Hauptgrund, warum gewerbliche Schuldner Rechnungen unbezahlt gelassen haben, waren Zahlungsausfälle bei deren eigenen Kunden, so die Beobachtung der Inkassodienstleister.
Auch die Inkassounternehmen selbst haben mit Kostensteigerungen zu kämpfen. 82% berichten in der Umfrage, dass sich ihre Betriebskosten in diesem Jahr verteuert haben (darunter 28% mit der Angabe, sie seien „stark gestiegen“). Hinzu kommen für die Rechtsdienstleister spürbare Umsatzrückgänge infolge des neuen Inkasso-Gebührenrechts, das seit dem 1. Oktober 2021 gilt. Für 2023 hat der BDIU deswegen eine neue Branchenuntersuchung angekündigt, die zeigen wird, welche Folgen die jüngste Regulierung auf die Wirtschaftlichkeit der Rechtsdienstleistungen hat.
Ausblick: Die Zahlungsmoral wird 2023 wohl deutlich schlechter
Wie wichtig ein faires Inkasso gerade im kommenden Jahr sein wird, belegt ein weiteres Ergebnis der Umfrage. Neun von zehn Inkassounternehmen erwarten, dass sich die Zahlungsmoral 2023 verschlechtern wird – und das besonders stark bei privaten Schuldnerinnen und Schuldnern. Mit einer besseren Rechnungstreue rechnet in der Umfrage dagegen niemand.
Die Deutsche Republik der Leistungsempfänger!
Am 1. Januar wurde das Arbeitslosengeld II (ALG II), auch bekannt als Hartz IV, durch das Bürgergeld ersetzt. Zu den maßgeblichsten Änderungen gehören ein deutlicher – in den Augen von linken Kritikern und Sozialromantikern angesichts deutlich gestiegener Energie- und Verbraucherpreise dennoch zu geringer – Anstieg des Regelsatzes um rund 50 Euro auf 502 Euro pro Monat, ein Aussetzen der Prüfung der Angemessenheit der Wohnkosten im ersten Jahr sowie ein stärkerer Fokus auf Weiterbildungsangebote seitens der Jobcenter. Auch diesen Aspekt der weitestgehend wegfallenden Kontrollmechanismen von Leistungsempfängern bewerte ich als Farce.
Wie die nachfolgende Statista-Grafik zeigt, schwankt der Anteil der Menschen, die Ende 2021 ALG II bezogen und damit potenziell auch Anspruch auf das neue Bürgergeld haben, je nach Bundesland deutlich.
Bremen ist Deutscher Meister unter den Leistungsempfängern
Lesen Sie auch
In Bremen waren beispielsweise rund 21% der Menschen im erwerbsfähigen Alter auf Sozialleistungen im Rahmen von Hartz IV angewiesen, in Berlin betrug der Anteil etwa 19%, in Hamburg rund 14%. Am anderen Ende des Spektrums finden sich die südlichsten Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg mit circa vier respektive sechs Prozent. Die Gesamtzahl an ALG-II-Beziehenden und damit auch die Anteile an der erwerbsfähigen Bevölkerung könnten für 2022 allerdings zurückgehen.