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     1153  0 Kommentare Kommt die Geldpolitik bei ihrer „Gartenarbeit“ zum zweiten Mal zu spät? - Seite 2

    Zu späte und radikale Unkrautbeseitigung gefährdet aber auch die gute Flora

    Allerdings ist bei Inflationsbekämpfung über zu viel restriktive Zinspolitik nicht nur das Unkraut bedroht, sondern auch die wünschenswerte Flora. Dramatische Zinserhöhungen wirken wie Gift auf völlig überschuldete Volkswirtschaften, die ohne Wachstum noch mehr Probleme beim Zins- und Tilgungsdienst haben. In Amerika ist die pervers-inverse Zinsstrukturkurve ein klarer Rezessionsindikator. In der Tat lassen viele US-Frühindikatoren die Köpfe hängen wie lange nicht gegossene Blumen.   

    Absurderweise können Zinserhöhungen in puncto Inflation sogar kontraproduktiv sein. Mit steigenden Kreditzinsen wird weniger in Produktionskapazitäten investiert, was die Güterverfügbarkeit verknappt und so Preise weiter antreibt. Die Banken sind bei Kreditvergaben wegen mangelnder Befähigung zum Schuldendienst ohnehin vorsichtiger. Insofern werden weniger neue Immobilien gebaut, was angesichts der Wohnungsnot die Mietpreisspirale noch weiterdreht.

    Grundsätzlich sieht sich die Geldpolitik mit vielen Unsicherheiten konfrontiert. Pandemien, Kriege und geopolitische Spannungen sind resistente Unkrautsorten, kaum kontrollierbare Treiber der Inflation. Fed, EZB und Co. haben es also nicht unmittelbar in der Hand, die Inflation zügig wieder auf das Ziel von zwei Prozent zu senken, es sei denn, man macht die Konjunktur unfruchtbar.   

    Wird die Geldpolitik diesen Preis mit all seinen real- und finanzwirtschaftlichen sowie sozialen Folgen riskieren? Wohl kaum, denn dann wäre sie gezwungen, mit anschließenden Dünge- und Bewässerungsaktionen, mit gewaltigen Zinssenkungen dagegenzuhalten. Diesen Kahlschlag, dem anschließend die Wiederaufforstung folgt, sollten Notenbanken schon aus Glaubwürdigkeitsgründen nicht betreiben.

    Insgesamt ist es in unserer heutigen von Unsicherheiten und Fremdeinflüssen geprägten Zeit im Vergleich zu früher deutlich schwieriger, abzuschätzen, wann und wie stark das zinspolitische Unkraut-Ex auf die Transmission wirkt. Tatsächlich sind Fed und EZB gut beraten, die Nebenwirkungen ihrer Zinserhöhungstherapie nicht zu unterschätzen. Einen Fehler macht man nicht dadurch wieder gut, indem man ins andere Extrem geht.

    Nachdem die Geldpolitik viel zu spät auf die explodierende Inflation reagiert hat, dann aber zinspolitisch viel Gas gegeben hat, sollten sie jetzt auch nicht zu spät über ein Ende der Zinswende nachdenken. Immerhin hat die Inflation zuletzt nachgegeben.

    Man sollte nicht zum zweiten Mal zu spät kommen. Denn die Übergänge zwischen grüner und verbrannter Konjunktur-Wiese sind fließend.   

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    Robert Halver
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    Robert Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernsehsendern und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie Fachpublikationen und als Kolumnist einem breiten Anlegerpublikum bekannt. Seine Markenzeichen, die unterhaltsame, bildhafte Sprache, kommen bei keinem seiner Auftritte zu kurz.

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    Verfasst von Robert Halver
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