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    Schweizer Votum  1707  0 Kommentare "Rosinenpickerei vom Buffet Europa"

    Am Sonntag waren die Schweizer auf Initiative der national-konservativen Schweizer Volkspartei (SVP) zur Volksabstimmung „Gegen Masseneinwanderung“ an die Urne gebeten. 50,3 Prozent der Schweizer stimmten für die Einschränkung der Anzahl an Einwanderern. Eine knappe Mehrheit. Sowohl die anderen beiden großen Parteien als auch die Schweizer Wirtschaft haben zum „Nein“ bei der Abstimmung aufgerufen. Die einzelnen Kantone sollen nun eine Höchstzahl an Zuwanderern festlegen. Die Regierung der Alpenrepublik hat drei Jahre Zeit, dieses Anliegen umsetzen.

     

    Erstauen und Katerstimmung bei der Wirtschaft

    Eine äußerst knappe Mehrheit, die ein breites Echo in Wirtschaft und Politik hervorgerufen hat. Blankes Entsetzen auf der einen Seite, Zustimmung auf der anderen. Die Schweizer Wirtschaft wanke zwischen „Erstauen und Katerstimmung“, sagte der Direktor der Handelskammer Deutschland-Schweiz, Ralf Bopp der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Mit der einseitigen Einschränkung der Zuwanderung würden bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und der EU zum Binnenhandel infrage gestellt, betont Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), gegenüber dpa-AFX. Einen privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt könne es in dieser Form nicht weiter geben.

    "Alle Vorteile des Binnenmarktes zu genießen und gleichzeitig Quoten bei der Freizügigkeit einzuführen, geht nicht zusammen," so EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in der „Rheinischen Post“. Die Schweiz genieße die Vorzüge des Binnenmarkts, der freie Personenverkehr sei wesentlicher Bestandteil dessen.

     

    Rosinenpickerei vom Buffet Europa

    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble forderte indes die Politik zu einer klaren Abgrenzung von Populisten und Euroskeptikern auf. „Wir müssen im Europawahlkampf klar machen, wie sehr die Menschen von der Freizügigkeit profitieren“, zitieren die 'Stuttgarter Nachrichten' den CDU-Politiker. Das Thema Zuwanderung könne die Menschen in ganz Europa mobilisieren, doch sei gerade die Freizügigkeit einer der wesentlichen Fortschritte in Europa - auch „als Quelle für Wohlstand und Wachstum.“ Schäuble ergänzt im „Bericht aus Berlin“, es zeige „natürlich ein bisschen, dass in dieser Welt der Globalisierung die Menschen zunehmend Unbehagen gegenüber einer unbegrenzten Freizügigkeit haben. Ich glaube, das müssen wir alle ernst nehmen."

    „Rosinenpickerei“ könne sich die Schweiz in ihrer Beziehung zur EU nicht erlauben, warnte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Die Alpenrepublik hätte sich mit dieser Abstimmung selber geschadet. Neben den „vielen Vorteilen aus einer solchen Beziehung“ müssten auch „Lasten oder Nachteile, die sich daraus ergeben können“ getragen werden, zitiert die Nachrichtenagentur dpa-AFX den SPD-Politiker. 

     

    Die Angst vor Veränderung 

    Die so genannten „Lasten oder Nachteile“ liegen CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach schwer im Magen. "Wir müssen die anhaltende Zuwanderung in die Sozialsysteme deutlich begrenzen, sonst wird uns diese Debatte immer wieder begegnen", sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses dem "Handelsblatt" mit Blick auf die Armutsmigration. "Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU darf nicht zu einer freien Auswahl des Sozialsystems führen", so Bosbach weiter.

    Bernd Lucke, Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD), sieht gleichsam Handlungsbedarf in Deutschland. "In der Schweiz hat das Volk gesprochen und das Votum sollte ernst genommen werden." Auch in Deutschland sei ein Zuwanderungsrecht zu schaffen, "das auf Qualifikation und Integrationsfähigkeit der Zuwanderer abstellt und eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme wirksam unterbindet." In der ARD-Talksendung „hart aber fair“ wurden bereits schärfere Töne angeschlagen, befindet sich die AfD doch im Europawahlkampf. "In jederlei Hinsicht ist Zuwanderung negativ für Europa." Negativ für Europa oder negativ für Deutschland? Lucke verstrickte sich weiter in Widersprüchlichkeiten als er von Einwanderern als "sozialem Bodensatz" sprach. Fraglich, warum die AfD um Plätze im Europaparlament kämpft.

    Lucke wüsste ganz genau, dass „Deutschland ohne Zuwanderer zumachen müsste," kritisiert Bernd Riexinger in der "Mitteldeutschen Zeitung". Lucke sei ein "Lügner und Brandstifter". Der Vorsitzende der Linkspartei ergänzt mit Blick auf die Europawahl: "Die AfD will das Schweizer Votum für den Europawahlkampf missbrauchen. Wer so oft das Streichholz wetzt, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann die Bude brennt. Die AfD ist keine Anti-Euro-Partei, sondern eine Anti-Grundgesetz-Partei. Die wollen vor allem Grenzzäune um die Millionen der Millionäre bauen."

    Vor allem aber sollte die CDU der Versuchung widerstehen „auf der Klaviatur der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu spielen", warnt Volker Beck innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion gegenüber "Handelsblatt-Online". "Lachender Dritter könnten AfD und NPD bei der Europawahl sein. Wer Ressentiments schürt, stärkt die Rechtsextremisten und schadet Deutschlands Zukunft." Wer Ängste erweckt, „vergiftet das innenpolitische Klima und macht Deutschland unattraktiv für qualifizierte Zuwanderung."

     

    Wer hat's erfunden?

    Dabei sollte nicht vergessen werden: „Jeder Zweite, der in den vergangenen Jahren aus Deutschland auswanderte, tat dies in Richtung Schweiz. Inzwischen stellen die Deutschen dort die größte Ausländergruppe. In einem Land wohlgemerkt, dessen Anteil an Ausländern dreimal so hoch ist wie der in Deutschland,“ schreibt Spiegel-Autor Alexander Kühn. (siehe: Schweizer Zuwanderungsregeln: Wer hat's erfunden? Die Deutschen!) Das Schweizer Votum also auch ein Votum gegen Schuhmacher, Vettel, deutsche Steuerflucht? 

    Heute keine Zuwanderung - gestern noch zu klein: Im Jahr 2010 rief die Schweizer SVP noch das Projekt Großschweiz aus: So sollten Baden-Württemberg, Elsass, Jura, Vorarlberg, Bozen, Hochsavoyen, Varese, Savoyen, Ain, Aosta und Como als neue Kantone der Schweiz angegliedert werden...





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    Schweizer Votum "Rosinenpickerei vom Buffet Europa" Am Sonntag stimmte eine äußerst knappe Mehrheit der Schweizer für eine Begrenzung der Zuwanderung in die Alpenrepublik. Das Ergebnis rief ein breites Echo in Wirtschaft und Politik hervor. Blankes Entsetzen auf der einen Seite, Zustimmung auf der anderen.

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