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    Schottland-Referendum  3517  1 Kommentar Droht mit Unabhängigkeit Schottlands ein ökonomischen Erdbeben?

    Die Angst geht um auf der Insel. Seit die Befürworter einer Unabhängigkeit Schottlands in den Umfragen gleichauf mit den Gegnern sind oder sogar leicht die Nase vorn haben, warnen Ökonomen und Politiker aller Couleur fast panisch vor den dramatischen Folgen einer Abspaltung.

    In den Medien ist von einem „ökonomischen Erdbeben“ (Handelsblatt) die Rede, dessen „ernste Konsequenzen“ (Goldman Sachs, zitiert in der „Welt“) mit denen der Euro-Krise oder gar dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise (Wall Street Journal Deutschland) zu vergleichen sind. Eine Unabhängigkeit Schottlands würde eine „schwer kontrollierbare Dynamik“ auslösen und die europäischen Kapitalmärkte in „Jahre des Chaos“ (Welt) stürzen. Um die Dramatik zu unterstreichen, bedient sich die „Welt“ eines ganz besonders bildhaften Vergleichs: Im Fall einer Abspaltung ginge es an den Börsen womöglich zu wie im Film „Braveheart“ mit Mel Gibson, wo es zu einem Gemetzel nach dem anderen kommt.

    Aber was meinen die Experten denn nun genau, wenn sie von Gemetzel oder ökonomischen Erdbeben sprechen? Hier eine Übersicht über die unmittelbaren Folgen, sollten die Schotten am 18. September tatsächlich mehrheitlich für die Unabhängigkeit stimmen:

    Pfund Sterling stürzt ab

    Schon seit Wochen befindet sich das Britische Pfund auf Talfahrt. Gegenüber dem US-Dollar hat die einstige Weltwährung bereits sechs Prozent im Vergleich zu Anfang Juli eingebüßt. Die Nachricht zu Beginn der Woche, wonach die Befürworter einer schottischen Unabhängigkeit in Umfragen erstmals knapp die Nase vorn haben, ließ das Pfund erneut um mehr als ein Prozent einbrechen. Es steht demnach zu befürchten, dass die Talfahrt im Fall einer Abspaltung noch weiter geht. Nicht umsonst sieht die „Welt“ neben all den anderen Konsequenzen vor allem die britische Währung in Gefahr.

    Großbritanniens Bonität wird herabgestuft

    Bei den Ratingagenturen Moodys und Fitch hat Großbritannien das dritte A bereits verloren. Gewinnen die Unabhängigkeitsbefürworter das Votum, so könnte auch das letzte noch verbleibende Triple-A-Ranking bei Standard & Poor’s bald Geschichte sein. Denn eine Abspaltung Schottlands würde die ohnehin schon hohe Schuldenquote auf einen Schlag um 9,5 Prozentpunkte auf dann 104 Prozentpunkte in die Höhe schnellen lassen, schreibt die „Welt“. Damit müsste Großbritannien potenziellen Investoren immer höhere Zinsen bezahlen, um sich frisches Geld an den Märkten leihen zu können.

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    Großbritannien droht die Schuldenfalle

    Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit könnte eine Verschuldungsspirale von enormer Tragweite in Gang setzen, da Großbritannien inzwischen sehr abhängig von ausländischem Kapital geworden ist. Mit der Unabhängigkeit Schottlands würde dem Vereinigten Königreich aber nicht nur seine Top-Bonität wegbrechen, sondern auch eine tragende Säule seines Wirtschaftsgefüges. Schottland verfügt über 80 Prozent der Öl- und Gasvorkommen, die den Briten dann fehlen würden. Das hätte dramatische Auswirkungen auf das Leistungsbilanzdefizit, welches schon jetzt 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht und laut „Welt“ auf bis zu 7 Prozent anwachsen könnte. Noch dazu müsste Großbritannien neben den Energie-Exporten auch auf wichtige Steuereinnahmen der in Schottland ansässigen Industrie wie etwa der Öl- oder der Whisky-Firmen, verzichten, wie das „Handelsblatt“ anmerkt. Das alles wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer großen Unsicherheit unter den Investoren führen. Eine Kapitalflucht stünde dann zu befürchten, welche die Verschuldung nochmals verschärfen und die Spirale aufs Neue anheizen könnte.

    Investoren meiden das neue Schottland

    Der Unsicherheitsfaktor könnte auch für den neuen Staat Schottland zum Problem werden. Wie das „Wall Street Journal Deutschland“ berichtet, müssten Investoren mit neuen regulatorischen Vorgaben und steigenden Rechtskosten rechnen. Das, in Kombination mit der Tatsache, dass niemand so recht weiß, wie Schottland sein eigenes Finanzsystem gestalten würde, könnte Investoren zögern lassen. Die Angst, sich womöglich die Finger zu verbrennen, könnte die Kreditvergabe und damit auch den Kapitalfluss lähmen. Das wiederum hätte auch Auswirkungen auf das Geschäftsklima und den Handel. Obendrein haben zahlreiche schottische Unternehmen und Banken bereits angekündigt, ihren Firmensitz nach Großbritannien zu verlegen, sollten die Schotten es tatsächlich ernst meinen mit der Unabhängigkeit. Damit besteht für Schottland nicht nur die Gefahr, dass Anleger das Weite suchen und u.a. ihre Depots bei schottischen Banken räumen und deren Aktienkurse damit unter Druck setzen. Nein, ist sogar sehr wahrscheinlich, dass gleich die gesamte Bank mit das Weite sucht.

    Brexit wird immer wahrscheinlicher

    Wenn sich die Schotten vom Vereinigten Königreich abspalten, dann spaltet sich auch ein wichtiger europafreundlicher Kern der Insel ab. Das wiederum würde den Euro-Kritikern neuen Aufwind geben und so die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass es irgendwann tatsächlich zum so genannten Brexit, also dem Austritt Großbritanniens aus der EU, kommen wird (Lesen Sie hierzu u.a. auch: BREXIT: Was kostet ein EU-Austritt?).

    Damit ist klar: Eigentlich kann niemand so recht abschätzen, welche Folgen eine Unabhängigkeit Schottlands für die Insel selbst, aber auch für ganz Europa hätte. Aber genau diese Unsicherheit, die bei sämtlichen Szenarien mitschwingt, ist es, die die Sache so brenzlig macht. Denn aufgrund der Unsicherheit lässt sich eins mit Sicherheit sagen: Es droht ein ökonomisches Erdbeben.





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