Euro-Geldpolitik
Gelddruckmaschinen - Euro-Notenbanken pumpen heimlich Geld in die Märkte
Die Dimension des Gelddruckens in Europa ist größer als bisher angenommen. Die europäischen Notenbanken haben nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“ in den vergangenen Jahren viel mehr Staatsanleihen und andere Wertpapiere gekauft als öffentlich bekannt. Parallel zur offiziellen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) haben auch die nationalen Notenbanken in großem Stil Geld in die Finanzmärkte gepumpt. Ihre Wertpapiergeschäfte auf eigene Rechnung wurden selbst von Zentralbankexperten kaum beachtet, und viele Details dazu halten die Geldpolitiker konsequent unter Verschluss.
Wieviel Geld ist bereits im System?
In dieser Woche wird der EZB-Rat über eine Ausweitung des 1,14 Billionen Euro schweren Anleihenkaufprogramms der Notenbank entscheiden. Umso relevanter ist die Frage, wie viel Geld die Notenbanken
schon bisher gedruckt haben. Die Regeln des Eurosystems gestehen den nationalen Zentralbanken große Freiheiten für eigene Geschäfte zu. Das gilt für die Notkredite an angeschlagene Banken, die in
den vergangenen Jahren immer wieder zum Zankapfel wurden, aber auch für Wertpapierkäufe außerhalb der offiziellen EZB-Programme. Davon wurde während der Finanz- und Eurokrise ausgiebig Gebrauch
gemacht, wie Berechnungen des Berliner Finanzwissenschaftlers Daniel Hoffmann aus den nationalen Notenbankbilanzen zeigen, aus denen die „Welt am Sonntag“ zitiert.
Demnach stieg der nationale Bestand an Wertpapieren und Notkrediten zwischen Anfang 2006 und Ende 2012 von 214 auf 724 Milliarden Euro. In dieser Zeit haben die nationalen Zentralbanken also auf
eigene Faust rund 500 Milliarden Euro in die Märkte gepumpt – was das Volumen aller bis dahin aufgelegten EZB-Programme übersteigt. Bis Ende 2014 ist der Bestand nur leicht auf 623 Milliarden Euro
gesunken, vor allem weil die Banken in dieser Zeit weniger Notkredite brauchten.
Notenbanken im Kaufrausch?
Die Notenbanker der einzelnen Länder waren aber in höchst unterschiedlichem Maße aktiv, führt die "Welt am Sonntag" weiter aus. Während die Bundesbank ihren Wertpapierbestand beispielsweise kaum
nennenswert erhöht hat, kauften die Zentralbanken Frankreichs, Italiens und weiterer Krisenländer besonders fleißig ein. Allein die Banque de France hat ihre eigenmächtigen Geschäfte seit 2006 um
bis zu 200 Milliarden Euro ausgebaut. Die Banca d’Italia hat in dieser Zeit zusätzliche 60 Milliarden Euro in die Märkte gepumpt, in Irland waren es in der Spitze mehr als 50 Milliarden Euro. Der
EZB-Rat könnte die eigenmächtigen Geschäfte per Veto stoppen, machte davon aber in all den Jahren offenbar keinen Gebrauch.
Worin genau die Geschäfte bestanden, wird streng geheim gehalten. Notkredite an Banken spielten zwar in einzelnen Ländern wie Griechenland eine große Rolle, können aber insgesamt nur einen kleinen
Teil des starken Anstiegs erklären. Das heißt: Die Zentralbanken haben auch in großem Stil Wertpapiere gekauft und diese größtenteils mit selbst gedrucktem Geld bezahlt. Im Vordergrund dürften
dabei Staatsanleihen gestanden haben. So hielt etwa die Banca d’Italia Ende 2014 auf eigene Rechnung öffentliche Schuldtitel in einem Volumen von 108 Milliarden Euro.
Ökonomen kritisieren heimliches Gelddrucken
Ökonomen sehen das heimliche Gelddrucken kritisch. Die Aktivitäten der nationalen Zentralbanken werfen „viele bislang nicht debattierte Fragen auf, die es dringend zu beantworten gilt“, fordert
etwa Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in der "Welt am Sonntag". Anleihenkäufe durch die EZB seien seit Jahren umstritten, sagt Jörg Rocholl, Präsident der
Berliner Wirtschaftshochschule ESMT. „Da ist es äußerst kritisch zu sehen, wenn die nationalen Zentralbanken ähnliche Geschäfte durch die Hintertür betreiben.“ Eine höhere Transparenz sei die
Voraussetzung dafür, dass die Menschen der Zentralbank vertrauen.
Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), hält Anleihenkäufe durch nationale Zentralbanken nicht für grundsätzlich verwerflich, kritisiert aber ebenfalls die
Intransparenz: „Es wäre dringend wünschenswert, dass die nationalen Notenbanken bei allen Käufen offenlegen, um welche Anleihen es sich handelt.“ Noch schärfer fällt die Kritik des Bonner
Geldpolitik-Professors Manfred Neumann in der Zeitung aus: „Letztlich ist das eine nicht legitime Staatsfinanzierung über die Notenbank.“