Flüchtlinge
„Arbeit gibt es genug!“ - Deutsche Bank fordert Mindestlohn-Ausnahmen für Flüchtlinge
Im Oktober sorgte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, für kleine Freuden im Kanzleramt: „Mit ihrem Bekenntnis zur Zuwanderung könnte Angela Merkel einer der großen Staatsführer werden, die Deutschland weit über die eigene Generation hinaus verändert haben“, schrieb Folkerts-Landau in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit“. Und ergänzte: „Deutschland hält die Chance in den Händen, seinen Ruf als globales wirtschaftliches ‚Powerhaus‘ zu festigen und kann längerfristig wieder zu dem wissenschaftlichen und kulturellen Zentrum werden, das es einmal war.“ Bevor Deutschland zu einem „statischen, risikoscheuen und in sich gekehrten Land“ werde, sollten die Chancen der Einwanderung wahrgenommen werden (mehr dazu hier).
Dazu bedarf es jedoch gewisser Flexibilitäten am Arbeitsmarkt. So zum Beispiel die Lockerung des Mindestlohns, um die Integration von Flüchtlingen zu erleichtern. „Arbeit ist die Conditio sine qua non für eine erfolgreiche Integration“, sagte David Folkerts-Landau heute im Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“. Deutschland habe mit seinem dualen Ausbildungssystem und seiner mittelständischen Wirtschaftsstruktur große Vorteile. „Damit diese genutzt werden, müssen wir dringend über Änderungen beim Mindestlohn nachdenken“, forderte der Ökonom. „Man müsste Ausnahmeklauseln für Einwanderer schaffen oder den Mindestlohn insgesamt senken.“ Bleiben solche Änderungen aus, warnt Folkerts-Landau vor gravierenden Folgen: „Wenn wir nichts tun, werden wir bald fünf Millionen Menschen haben, die ohne Job sind, keine Perspektive sehen und in Ghettos sitzen.“
„Arbeit gibt es genug!“
Da sind sich Folkerts-Landau als auch ifo-Chef Hans-Werner Sinn beim Thema Mindestlohn fast einig. Nur solle dieser nach Meinung Sinns nicht allein für Flüchtlinge abgeschafft werden, sondern für alle Arbeitnehmer. wallstreet:online berichtete bereits im September über die Forderung des ifo-Chefs: „Mindestlohn oder Flüchtlinge - Beides geht nicht!“ Doch Sinn ist bei Weitem nicht der einzige Top-Ökonom, der den Mindestlohn aufgrund der Flüchtlingskrise in Frage stellt (siehe: Mindestlohn für Flüchtlinge - Problem oder Selbstverständlichkeit? und Zurück auf Los mit alter Leier - Weg mit dem Mindestlohn, her mit dem Kombi-Lohn!) Für den ifo-Chef sei die Flüchtlingskrise nur durch radikale Sozialreformen in Deutschland zu bewältigen. „Wir sollten den Flüchtlingsstrom zum Anlass für eine neue Agenda 2010 nehmen“, sagte Sinn jüngst im Gespräch mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Neben der Abschaffung des Mindestlohns sei auch die Anhebung des Rentenalters erforderlich.
Lesen Sie auch
Zurück zum Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Folkerts-Landau: Dieser rechnet nicht damit, dass Einwanderer in großem Umfang Arbeitnehmer aus bestehenden Jobs verdrängen. „Arbeit gibt es genug! In den USA
arbeiten unzählige Einwanderer als Gärtner oder Erntehelfer, warum nicht auch hier so anfangen?“, sagte Folkerts-Landau der „Welt“. In einer alternden Gesellschaft gebe es auch einen großen Bedarf
an Pflegekräften, dafür könne man auch Immigranten innerhalb weniger Jahre gut ausbilden. „Die Beschäftigungsmöglichkeiten sind da, letztlich ist es immer eine Frage des Preises.“