Halil Akkanat, Rektor der Türkisch-Deutschen Universität
"Unsere europäischen Freunde verstehen nicht, welches Trauma wir erlitten haben"
Halil Akkanat, Rektor der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul, äußert sich enttäuscht über die deutschen Reaktionen nach dem Putschversuch am 15. Juli: „Dass unsere deutschen Freunde sich
ausschließlich um die akademische Freiheit sorgen, hat mich traurig gemacht“, so Akkanat in der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Schließlich sind beim Putschversuch etwa 250 Menschen gestorben und
mehrere Tausend wurden verletzt.“ Von Partnern wie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), mit denen man täglich zusammenarbeite, habe er angesichts dieser Lage erwartet, dass sie sich
nach einem erkundigen, anstatt den Kurs der Regierung zu kritisieren.
Den Vorwurf aus Europa, der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan nutze den gescheiterten Putsch, um unliebsame Kritiker aus dem Weg zu räumen, empfindet Akkanat als ungerechtfertigt:
„Unsere europäischen Freunde verstehen nicht, welches Trauma wir erlitten haben. Wir wurden von unseren eigenen Brüdern angegriffen.“
Nun laufe die Beweisaufnahme für rechtsstaatliche Verfahren. Türkische Wissenschaftler, die sich anonym über die Willkür des türkischen Staates äußerten, wollten die Türkei nur schlecht machen:
„Der Schluss liegt nahe, dass auch sie Gülenisten sind. Zum terroristischen Netzwerk gehören auch Rektoren und Professoren.“ Die Türkisch-Deutsche Universität wird von beiden Staaten gemeinsam
finanziert, trotz der Unstimmigkeiten arbeite man weiter eng mit Institutionen wie dem DAAD zusammen. „Die Beziehungen werden jetzt nicht einfach abgebrochen“, betont Akkanat.