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     40862  9 Kommentare Crash, Bargeld, Kryptowährungen: Prof. Dr. Max Otte bezieht Stellung

    Wann kommt der nächste Crash, Herr Professor Otte?

    Die Welt ist überschuldet. Seit der Finanzkrise ist mehr als ein Welt-Bruttoinlandsprodukt an Schulden hinzugekommen. Die Verschuldung der Welt ist nicht nur absolut, sondern auch relativ gestiegen.

    Geldvermögen (= Geldforderungen) müssen vernichtet werden. So viel ist klar. Schon vor einiger Zeit spekulierte der Internationale Währungsfonds über eine 10 %ige Steuer auf alle Geldvermögen. Aber wahrscheinlich wird es keine große Währungsreform geben, sondern eine Vermögensvernichtung über die Zeit, vor allem durch Negativzinsen. Dabei wirkt die Magie der Zinseszinsen, die uns beim Investieren so schön hilft, ebenfalls. Nur leider in die falsche Richtung. Schon bei 3 Prozent realer Geldentwertung ist die Kaufkraft der Geldforderungen nach 10 Jahren um 25 und nach 20 Jahren um 45 Prozent gesunken. 

    Ich glaube nicht an einen Crash, sondern an ein kontrolliertes Abschmelzen der Geldforderungen. Die Möglichkeiten der staatlichen Lenkung sind viel größer als früher.

    Wird das ausreichen?

    Vielleicht gibt es auch einzelne "kontrollierte Explosionen", wie bei der Sprengung eines großen Gebäudes. 

    Mit der im Mai 2014 verabschiedeten EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten können nun auch Spar- und Kontoguthaben zur Sanierung der Institute herangezogen werden (Bail-in). Zwar werden zuerst die Aktionäre und dann die Anleihegläubiger zur Kasse gebeten, aber auch normale Sparer können jetzt einbezogen werden. Damit ist die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes, und damit das Grundvertrauen in das Bankensystem, erschüttert. Vor lauter Krieg und Terror bekommt es aber keiner so recht mit.

    Die ersten Sprengungen hatten wir schon mit der Banco Popolar in Spanien und der Banco Popolare in Italien. Das können die Testläufe für mehr gewesen sein.

    Kommt noch mehr auf uns zu?

    All diese Zwangsmaßnahmen lassen sich in einer bargeldlosen Welt oder einer Welt ohne Bargeld besser durchsetzen. Bargeld ist der Schutz gegen Negativzinsen. Es ist die einzige Möglichkeit für Sie, mit einem anderen Bürger in Geschäftsverkehr zu treten, ohne dass sofort Daten generiert werden oder ein Dritter darauf schaut. Es ist die einzige Möglichkeit für normale Bürger, Zentralbankgeld zu besitzen. Es ist somit tatsächlich das einzig "echte" Geld. Kontoguthaben sind nur ein Kredit, den Sie der Bank gewährt haben.

    Seit über einem Jahr engagiere ich mich für den Erhalt des Bargelds, unter anderem bei einer Demonstration an der Frankfurter Hauptwache im Mai. Hierzu habe ich auch meine kleine Streitschrift "Rettet unser Bargeld" veröffentlicht. 

    Zudem habe ich die Initiative www.rettet-unser-bargeld.de gestartet, die von weiteren namhaften Persönlichkeiten unterstützt wird.

    Was spricht noch für Bargeld?

    Bargeld ist gedruckte Freiheit. In einer bargeldlosen Welt können wir lückenlos überwacht werden. Es können immer höhere Gebühren bei Überweisungen und eine weitere Erschwerung des Bargeldverkehrs kommen. Wenn jede Überweisung nur ein halbes Prozent kostet, können sich Banken und Finanzdienstleister auch ganz gut sanieren. Das öffentliche Gut "Geld" wird privatisiert - zum Nutzen der Finanzbranche.

    Das Bitcoin-Fieber hat viele erfasst. Dieses Jahr hat sich der Wert von Bitcoin verdreifacht, der einer anderen Kryptowährung, Ethereum, ist um 2300 Prozent gestiegen.  Können Bitcoins die Lösung sein?

    Ich kann nur sagen: Finger weg! Abgesehen davon, dass mir privates Geld, das nicht als öffentliches Gut vom Staat kontrolliert wird, zutiefst suspekt ist und nicht mit meiner philosophischen Grundausrichtung zusammenpasst, hier ist auch eine völlig irrationale Blase entstanden, die bereits jetzt zu massivem Betrug an den Anlegern geführt hat.

    Was spricht aus Ihrer Sicht noch gegen Bitcoins?

    Bitcoins sind für mich schwer zu verstehen. Da halte ich es mit Warren Buffett, der sagt: "Investiere nur in das, was Du verstehst!"  Auch habe ich große Sicherheitsbedenken - viel mehr als bei Bargeld. Im August 2016 wurden mal eben Bitcoins im Wert von 58 Millionen Dollar von einer Exchange in Hongkong gestohlen. Bei physischem Geld wäre das viel schwerer. Zudem: was ist, wenn großflächig der Strom ausfällt? Oder Computerviren das Netz verwüsten?

    Können Sie das mit der Blasenbildung noch etwas näher beschreiben?

    Theoretisch ist das Angebot an Bitcoins begrenzt, aber nur theoretisch. Aktuell gibt es ungefähr 3.000 Kryptowährungen - ein klassischer Hype. Goldgräberstimmung. Wie bei den tausenden von Internetunternehmen, von denen nur wenige übrig geblieben sind.
    Schon jetzt haben wir extreme Preisanstiege und eine Blasenbildung, die viele merkwürdige Blüten treibt. Anleger werden betrogen, dubiose Promotoren zocken Anleger ab. Im Jahr 2013 startete Jackson Palmer Dogecoin, eine satirische Kryptowährung mit Hundelogo, um den Bitcoin-Boom durch den Kakao zu ziehen. Nach einiger Zeit war diese Währung 400 Millionen Dollar wert.

    Mittlerweile machen Startups auch ICOs - Initial Coin Offerings anstelle von IPOs (Initial Public Offerings oder Börsengänge). Dabei geben diese Startups anstelle von Aktien Kryptowährungen an Ihre Investoren aus. Die Financial Times schreibt hierzu:

    "Wenn Sie sich das nicht vorstellen können, stellen Sie sich vor, dass ein Freund ein Casino baut und Sie fragt, hier zu investieren. Für Ihr Investment bekommen Sie Chips, die Sie im Casino benutzen können, wenn es fertig ist. Stellen Sie sich weiterhin vor, dass die Chips keinen festen Wert haben und im Preis schwanken werden, je nachdem, wie populär das Casino ist, wieviel Spieler es benutzen und wie die Gesetzeslage ist.
    Ach, und anstelle eines Freundes, stellen Sie sich vor, dass jemand Sie im Internet nach einen Investment gefragt hat, dass dieser jemand vielleicht einen falschen Namen benutzt, und den Sie wahrscheinlich nicht wegen Betrugs verklagen können, wenn er Ihr Geld benutzt, einen Porsche zu kaufen anstatt ein Casino zu bauen."
     

    Zurück zum Crash und zur Vermögensvernichtung: Wann könnte es soweit sein?
    Sehr bald. Ab Oktober 2017 wird es spannend. Janet Yellen, Präsidentin der amerikanische Notenbank FED, erklärte am 20. September, dass man ab Oktober mit der Schrumpfung der Bilanz der amerikanischen Notenbank beginnen wolle. 

    Und was machen Sie?
    Ich bleibe am Aktienmarkt engagiert, aber eher bei abgestraften Werten, die eine Zinserhöhung verkraften. Die Party bei Nestlé & Co. dürfte vorbei sein. Für den Max Otte Vermögensbildungsfonds (WKN: A0NE9G) bin ich durchaus noch optimistisch.




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