Der Mythos vom Geld "an der Seitenlinie" - Seite 3
Es fließt also kein weiteres Geld in den Aktienmarkt innerhalb dieses etwas vereinfacht dargestellten Falls steigender Kurse. Es wird einfach nur mehr Geld geboten, als derzeit Aktien angeboten werden. Auf der einen Seite warten viele Anleger, die jetzt Aktien kaufen wollen und auf der anderen Seite gibt es auch sehr viele Anleger, die ihre Aktien eben jetzt nicht verkaufen wollen. Es handelt sich um ein klassisches Problem zwischen Angebot und Nachfrage. Dasselbe Problem ergibt sich in vergleichbarer Weise bei fallenden Kursen. Im ersten Fall ist die Nachfrage größer als das Angebot, im zweiten Fall eben genau umgekehrt.
Rationale Investoren haben es schwer
Es sei aber gesagt, dass dieser Mechanismus nur die halbe Wahrheit enthält. Schließlich könnte der rationale Investor ja einfach auf einen für ihn günstigen Einstiegszeitpunkt warten. Wenn „die Kurse weglaufen“, bringt diese Taktik aber leider nichts. Denn um nichts zu verpassen, steigen die Anleger dann auch zu immer höheren Kursen ein. Dann beherrscht die Gier die Börsianer (bzw. bei fallenden Kursen die Panik).
Dasselbe Prinzip gilt auch, wenn vom Aktienmarkt in den Anleihenmarkt (oder umgekehrt) „umgeschichtet“ wird. In diesem Fall ersetzt ein einzelner Investor ein Aktienpaket durch eine Anleihenposition. Dadurch ändert sich für beide Märkte am Ende de facto nichts: Irgendein anderer Investor übernimmt die verkaufte Aktienposition, während die Anleihen ebenfalls von einem früheren Bondanleger kommen.
Im Endeffekt verursachen Angebot und Nachfrage in den jeweiligen Märkten die Umschichtungen und damit einhergehenden Kursveränderungen. Unter Umständen ist nun mal nicht genug „Platz“, wenn viele Investoren schnell durch die eine Tür raus und in die andere rein wollen.
Die Stimmung ist entscheidend, nicht die Liquidität
Bei dem Mythos, dass „Geld von der Seitenlinie in den Aktien-/Anleihenmarkt fließt“ handelt es sich also um eine anekdotische Umschreibung der Tatsache, dass die Stimmung nachhaltig umschlägt. Die vorhandene Liquidität dient dabei als Katalysator bzw. ein Schmiermittel, das diesen Mechanismus geschmeidiger laufen lässt. Wenn mehr Geld für Investments bereit steht, wenn die Stimmung umschlägt, wird auch der folgende Trend stärker. Sollte aber die Stimmung nicht zum Investieren animieren, bringt auch der stärkste Liquiditätsfluss wenig.
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Das Wissen um die Stimmungslage zeigt sich also deutlich relevanter als die Verfolgung von Geldströmen. Zumal man diese auch erst im Nachhinein (anhand von Statistiken) erkennen kann. Entsprechend sollten Sie sich auf die Stimmungslage konzentrieren, z.B. anhand einschlägiger funktionierender Indikatoren, wie dem Trader-Sentiment, der antizyklischen Bewertung der Medienberichterstattung und selbstverständlich der Kursinformationen selbst.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
(Quelle: www.stockstreet.de)