Warum die Diskussion um Özils Rücktritt unehrlich ist
So wie Özil fühlen die meisten türkischstämmigen Migranten
An Özils Stelle würde ich mich auch ungerecht behandelt fühlen: Denn all die Haltungen und Einstellungen, für die er kritisiert wurde, sind geradezu prototypisch für in Deutschland lebende türkischstämmige Migranten. Nur haben viele Politiker und Medien davor bisher die Augen zugemacht.
Eine Ende 2017 durchgeführte Umfrage unter 2800 türkischstämmigen Bürgern in Deutschland ergab: 72 Prozent erklärten, unter "Heimat" verstünden sie die Türkei, nur 26 Prozent sagten dies für Deutschland. Die Umfrage hatte das Meinungsforschungsinstitut Data 4U im Auftrag des NDR-Magazins Panorama - Die Reporter durchgeführt. Hier die sehr lesenswerte Studie im vollen Wortlaut: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_die_reporter/catistudi ....
Es wurden 2839 türkischstämmige Migranten befragt, darunter 1037 mit einem deutschen bzw. mit einem Doppelpass. Die Befragung zeigt: Die Diskussion über Mesut Özil ist scheinheilig. Denn es wird nicht offen ausgesprochen und thematisiert, dass viele Türkischstämmige so denken und fühlen wie er. Özil steht für eine Grundhaltung, die eher die Regel als die Ausnahme bei Zuwanderern aus der Türkei und deren Nachkommen ist.
Umfrage: Als "Heimat" wird die Türkei empfunden - nicht Deutschland
Das Umfrageinstitut wollte von den befragten Türkischstämmigen wissen, wie stark der Begriff "Heimat" für sie mit Deutschland oder mit der Türkei verbunden sei. Vorgegeben wurde eine Skala von 1
bis 10, wobei 1 hieß, dass man das Land gar nicht als Heimat empfinde und 10, dass man das Land voll und ganz als seine Heimat empfinde. Ergebnisse:
- Nur 4% der Befragten identifizierten sich gar nicht oder kaum mit der Türkei (Werte auf der Skala 1 bis 4), aber 22% sagten, dass sie sich gar nicht oder kaum mit Deutschland identifizierten.
- 72% identifizierten sich voll und ganz mit der Türkei (auf der Skala Höchstwert 10), aber nur 26% mit Deutschland.
Bemerkenswert: Jeder Dritte Befragte erklärte, dass in den vergangenen Jahren das Heimatgefühl für die Türkei sogar noch zugenommen habe.
Özils Haltung, der sich beispielsweise konsequent weigerte, vor Spielen die deutsche Nationalhymne mitzusingen, der jetzt nach seinem Rücktritt pauschal von "Rassismus" spricht, wenn er wegen des Fototermins mit dem türkischen Präsidenten Erdogan kritisiert wird, zeigt also eine Haltung, die für die Mehrheit der türkischstämmigen Migranten in Deutschland charakteristisch ist.