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    Immobilienverband-Präsident  9919  0 Kommentare Michael Schick über Enteignungen: "Gefahr ist der Versuch, die Gesellschaft zu spalten"

    Der Zorn einiger Mieter entlädt sich in Demonstrationen, bei denen die Enteignung von Großeigentümern gefordert wird. Der Präsident des Immobilienverbandes IVD, Jürgen Michael Schick, kann "den Unmut vieler Mieter nachvollziehen", winkt aber bei Enteignungen ab. Im Interview mit der wallstreet:online-Redaktion nennt er Maßnahmen, wie das Angebot an Wohnungen erhöht werden kann und welche Chancen sich Anleger im Immobilien-Sektor genauer ansehen sollten.

    wallstreet:online: Herr Schick, wir haben zur Diskussion um Enteignungen von Wohnimmobilien-Unternehmen unter der Überschrift "Wohnungsmangel ungelöst: Berliner, hört auf, Eure irrwitzigen Enteignungs-Phantasien hinauszuposaunen!" geschrieben: "Von der Debatte um eine Enteignung von Immobilienunternehmen geht ein äußerst gefährliches Signal aus. Zudem wird das Problem, dass endlich mehr Wohnungen angeboten werden müssen, in keinster Weise gelöst". Inwieweit können Sie das nachvollziehen?

    Michael Schick: Diese Sätze sind völlig korrekt und treffen den Kern der eigentlichen Debatte: Enteignungen sorgen für nicht eine neue Wohnung. Aber davon fehlen in Berlin derzeit mehr als 90.000. Die Debatte um Enteignungen und der Zuspruch, den diese Idee von Seiten mancher Politiker und Parteien erhält, senden eine negative Botschaft an Investoren und private Bestandshalter und Wohnungsbauer: Für Euch gilt das Grundrecht auf Eigentum nicht mehr. Das ist gefährlich, denn diese Botschaft legt die Axt an, was den Ruf Deutschlands als rechtssicheren Investitionsstandort betrifft. Unser Wachstum und unser Wohlstand hängen auch von diesem Ruf ab. Dabei besteht die einzige Lösung der Wohnungsnot darin, mehr zu bauen und Investitionen in den Wohnungsbau zu fördern. Die Enteignungsdebatte ist schlichtweg kontraproduktiv. Vor allem, wenn man weiß, dass mehr als 80 Prozent aller neuen Wohnungen in Deutschland von Privatinvestoren gebaut werden.

    wallstreet:online: Könnten Sie bitte kurz erklären, an welchen Stellen Sie in der Immobilienwirtschaft wirken?

    Michael Schick: Der Immobilienverband IVD ist die Berufsorganisation und Interessensvertretung der Beratungs- und Dienstleistungsberufe in der Immobilienwirtschaft. Der IVD betreut 6.000 Mitgliedsunternehmen mit gut 100.000 Beschäftigten. Die 1.800 Wohnungsverwalter im IVD verwalten rund 3,5 Millionen Wohnungen. Die 4.500 Immobilienmakler des Immobilienverbandes beraten jährlich rund 40 Prozent aller Immobilientransaktionen.

    wallstreet:online: Neben der Debatte um Enteignung muss man festhalten, dass ein Teil der deutschen Mieter wütend über zu hohe Mietpreise ist. Inwieweit können Sie diese Wut nachvollziehen? Wie kann man entgegenwirken?

    Michael Schick: Ich kann den Unmut vieler Mieter natürlich nachvollziehen. Wohnen ist schließlich ein Grundbedürfnis. In einem so reichen Land wie Deutschland sollte niemand Angst haben müssen, sich die Wohnungsmiete nicht mehr leisten zu können. Dieses Missverhältnis macht auch mich nachdenklich, ich bin auch ein Mieter.

    Gefährlich ist, dass Teile der Politik diese Situation ausnutzen und die Gesellschaft versuchen zu spalten. Das kann man in Berlin ganz deutlich verfolgen. Dort steigen die Mieten, weil zu wenig Wohnungen auf dem Markt angeboten werden. Das ist so, weil die Berliner Landesregierungen der vergangenen 20 Jahre den Wohnungsbau sträflich vernachlässigt haben und immer noch vernachlässigen. Doch statt Verantwortung zu übernehmen, wird der Wohnungswirtschaft der schwarze Peter zugeschoben und Stimmung gegen sie gemacht. Das ist falsch und unehrlich. Was einzig hilft, ist das Angebot an Wohnungen zu erhöhen.

    Die wichtigsten Maßnahmen müssen hierbei sein: Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren, Reduzierung und Vereinfachung der geltenden Bauvorschriften, steuerliche Förderung von Wohnungsneubau, Nachverdichtungen und Dachaufstockungen ermöglichen, Konzeptvergabe von Bauland in Bundeshand, Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes bei Mietwohnungsbau von 19 % auf 7 %. Und vor allem: eine neue Neubaukultur schaffen. Investoren einladen statt sie auszuladen.

    wallstreet:online: Themenwechsel: Wir Börsenjournalisten sind auf der Suche nach Anlagechancen, ohne zu vergessen die jeweiligen Risiken zu erwähnen. Geben Sie uns bitte einen kurzen Einblick in die deutsche und internationale Immobilienwirtschaft: An welchen Stellen und in welchen Immo-Branchen entstehen in der nächsten Zeit die größten wirtschaftlichen Chancen? Welche Bereiche sollten sich Anleger genauer ansehen?

    Michael Schick: Deutschland wird in den nächsten Jahren im globalpolitischen Kontext ein sicherer Hafen bleiben (bedenkt man, wie verunsichert die Welt durch Eurokrise, Brexit oder der "Donald Trump-Politik" ist).

    Assetklasse Wohnen:

    Unter der Voraussetzung, dass sich die makroökonomische Situation nicht grundlegend ändert, erwarten wir in den nächsten Jahren eine Verlangsamung der Entwicklung bei den Immobilienpreisen. Wir beobachten eine sinkende Elastizität der Nachfrage bei Preisanstiegen. Außerdem weisen Indikatoren wie die Baugenehmigungszahlen darauf hin, dass der Neubau langsam an Fahrt gewinnt. Mittelfristig könnte sich das Angebot wieder der privaten Nachfrage nähern.

    Die private Nachfrage nach Wohnraum wird in den nächsten Jahren stabil und stark bleiben. Jedoch nicht überall: In Ballungsräumen und in Süddeutschland wird sie steigen, in ostdeutschen Regionen (mit Ausnahme von Leipzig und Dresden), im Saarland und Ruhrgebiet wahrscheinlich fallen. Der Angebotsmangel in Ballungsregionen ist noch nicht behoben. Das Ziel der Bundesregierung, 1,5 Millionen neuen Wohnungen bis 2021 zu bauen, wird nach derzeitigem Stand lange nicht erreicht.

    Eine logische Folge ist: Forward-Deals werden immer beliebter. Also: Ankauf einer durch den Verkäufer schlüsselfertig und auf seine Kosten zu errichtenden Immobilie. Im jetzigen Marktumfeld bietet der Forward-Deal für beide Seiten Vorteile, die vormals nicht so sehr ins Gewicht gefallen waren. Vorteil Erwerber: eine frühzeitige Sicherung der Immobilie/Anlagemöglichkeit und Risikominimierung. Vorteil Verkäufer: ein sicherer Abnehmer direkt nach Fertigstellung, sicherer Kaufpreis auf aktuell hohem Niveau und Erleichterung der Finanzierung des Bauvorhabens.

    Assetklasse Büroimmobilien:

    Auch für Büroimmobilien besteht derzeit eine anhaltend hohe Nachfrage nach Büroflächen, vor allem in den Top 7-Städten. Der Nachfrageüberhang führt zu Mietpreisanstiegen mit stetiger Dynamik. Derzeit bietet sich besonders die bekannte Investmentstrategie "ABBA" – also A-Lagen in B-Städten und B-Lagen in A-Städten an: Spitzenrenditen in B-Städten sind deutlich höher als in Metropolen und sinken auch langsamer. In Top-Lagen der B-Städte ist das Risiko vergleichsweise gering und vertretbar.

    Es sollten aber auch einige Nachteile wie die geringere Markttransparenz, der schwierigere Zugang und ein schwierigerer Exit (Branchenmix weniger ausgewogen, anfälliger für Branchenkrisen) beachtet werden.

    Assetklasse Einzelhandel:

    Das Einzelhandelsimmobiliensegment ist heute komplexer denn je. Zwar wächst der Einzelhandelsumsatz, der größte Anteil entfällt jedoch auf den E-Commerce. Der Einzelhandelsumsatz wird voraussichtlich weiterwachsen, online und stationär (40 % des Wachstums der vergangenen fünf Jahre im Onlinesektor, 60 % im stationären Handel). Das setzt den stationären Handel und damit auch dessen Vermieter unter Druck. Die Nachfrage von Investoren wird dennoch hoch bleibend, weil die Rendite im Einzelhandel höher ist als im Büro- und Wohnsegment. Eine hohe Nachfrage gibt es insbesondere nach innerstädtischen Geschäftshäusern. Auch Fachmarktzentren bleiben begehrt. Für ein nachhaltiges Investment müssen Standort und Konzeption jedoch stimmen. Der Einzelhandelsimmobilienmarkt ist heute mehr denn je ein absolutes "Profi-Segment".

    wallstreet:online: Und zum Schluss eine recht persönliche Frage, wenn Sie erlauben: Wie sind Sie selbst in Immobilien investiert? Und: Wo sind Sie außerhalb des Immobilienbereichs als Anleger engagiert?

    Michael Schick: Ich spreche gerne darüber, wo ich selbst investiert habe. Denn als Immobiliendienstleister folge ich dem Motto "Pracise what you preach". Ich bin in Wohnimmobilien in Berlin und Nordrhein-Westfalen investiert und finde besonders einfache und mittlere Lagen interessant. Sie bieten ein gutes Risiko-Rendite-Profil. In Berlin sind das eher die Randlagen. Im Stadtkern habe ich den extrem guten Markt zuletzt für Verkäufe von Objekten genutzt, die sich im Wert toll entwickelt haben. Zudem habe ich immer darauf geachtet, die Bestände nicht zu hoch zu beleihen und zudem auch als Immobilienunternehmer stets ein Portfolio an Aktien und Liquidität vorzuhalten. Das macht mich als Unternehmer unabhängig und diversifiziert das persönliche Anlagerisiko.

    wallstreet:online: Herr Schick, vielen Dank für das Gespräch!

    Kurzvita: Jürgen Michael Schick

    Der Immobilienverband Deutschland IVD ist seit 1. Juli 2018 turnusgemäß der geschäftsführende Verband der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID). Damit steht IVD-Präsident Jürgen Michael Schick für ein Jahr lang an der Spitze der BID, in der die sechs wichtigsten Immobilienverbände Deutschlands (die Verbände BFW, DDIV, GdW, IVD, vdp, und ZIA) zusammenarbeiten. Jürgen Michael Schick ist seit Juni 2015 Präsident des Immobilienverbandes IVD. Der Spitzenverband ist mit ca. 6.000 Mitgliedsunternehmen und rund 100.000 Beschäftigten der zahlenmäßig stärkste Unternehmensverband der Immobilienwirtschaft. Seit 2002 war Schick Vizepräsident und Sprecher des IVD.

    Der IVD ist in allen wichtigen wohnungspolitischen Gremien auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene vertreten. Der IVD ist zudem derzeit vorsitzender Verband der BID Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland. Hier arbeiten die wichtigsten Verbände der Immobilienwirtschaft, BFW, DDIV, GdW, vdp, ZIA und IVD, zusammen. Mit der BID steht der Politik, anderen Wirtschaftszweigen und weiteren Verbänden ein durchsetzungsstarker immobilienwirtschaftlicher Partner zur Seite.

    Seit 1990 ist Jürgen Michael Schick in der Immobilienbranche aktiv. Anfang der 1990er Jahre gründete er in Berlin das Investmentmaklerhaus Michael Schick Immobilien GmbH & Co. KG, eines der führenden Maklerunternehmen für Wohn- und Geschäftshäuser, dem er auch heute noch als Geschäftsführer vorsitzt. Der Immobilienökonom (ebs) hat sich 2005 zum Professionel Member der Royal Institution of Chartered Surveyors (MRICS) zum internationalen Sachverständigen qualifiziert. Als erster Immobilienmakler Deutschlands wurde er 2010 mit der neuen EU-Norm DIN EN 15733 für Anlageimmobilien zertifiziert.

    Jürgen Michael Schick ist seit vielen Jahren ein gefragter Gesprächspartner für immobilienwirtschaftliche Themen im TV (war u.a. bei Günther Jauch - RTL, Maybrit Illner - ZDF, Das Duell - n-tv, Studio Friedmann - N24, Hart aber fair – DasErste), in Hörfunk und Zeitungen und tritt bei zahlreichen Kongressen und Veranstaltungen als Redner auf. Jürgen Michael Schick gilt als ausgewiesener Immobilienexperte, der zudem die Realwirtschaft bestens abbildet. - Jürgen Michael Schick wurde 1970 in Schorndorf (Baden-Württemberg) geboren.





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