Autogerecht? Menschengerecht! - Seite 2
2. Das (Elektro-)Auto ist nur ein Verkehrsträger unter vielen
Spätestens seit dem ‚Dieselskandal' zahlreicher Autohersteller und den Fahrverboten in Innenstädten ist klar: Der emissionsfreien Fortbewegung gehört die Zukunft. Ladestationen für E-Fahrzeuge
gehören deshalb schon heute zum festen Inventar jedes größeren Bauvorhabens. Wer die Menschen anziehen will, muss ihnen auch die Wahl lassen, wie sie ihre Wege zurücklegen möchten. Doch die
Verkehrswende erschöpft sich nicht in der Umstellung von Verbrennungs- auf Elektromotoren. Vieles deutet darauf hin, dass die Zahl der Autos in Innenstädten im Laufe der kommenden Jahrzehnte
deutlich zurückgehen wird - nicht zuletzt zugunsten der Luft- und Lebensqualität.
Metropolen wie Stockholm, Mailand und London etwa setzen schon länger auf eine City-Maut: Wer mit seinem Auto ins Zentrum fahren will, muss dafür Gebühren entrichten. Da die Zahl der Stadtbewohner derweil tendenziell zunimmt, erleben andere Verkehrsträger einen Boom. Ob U-Bahnen und Busse, Car Sharing oder Elektro-Roller - das 21. Jahrhundert wird aller Voraussicht nach im Zeichen der ‚multimodalen Mobilität' stehen. Bei Neubauprojekten und Refurbishments verändert sich damit beispielsweise auch das Machtverhältnis in Tiefgaragen und Parkhäusern: einerseits mehr der angesprochenen Ladestationen, andererseits weniger Raum für private Autos und im Ausgleich mehr Stellplätze für Fahrräder und Fahrzeuge der Sharing-Anbieter.
3. Gebäude und Quartiere öffnen sich nach außen
Die ‚funktionale Stadt' war auch eine Stadt der Wände und Barrieren. Wer mit dem Auto in die Tiefgarage fährt, hat kein Interesse daran, dass das Gebäude auch für Fußgänger und Radfahrer attraktiv
ist. Entsprechend entwickelte sich die Architektur: Gebäude wurden vor allem entsprechend der Notwendigkeiten im Inneren geplant. Glasfassaden schufen helle Räume, sorgten aber nicht zwangsläufig
für mehr Transparenz nach außen. Durch die zunehmende Verschränkung von Funktionen aber endet auch dieses Kapitel der Städte.
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Dass in den verdichteten urbanen Zentren ein Gebäude und seine Umgebung zusammenwachsen, wirkt sich auch auf seine Gestaltung aus: ‚Menschengerecht' bedeutet in diesem Fall eben auch, dass die Menschen im Freien ebenso wichtig werden wie jene im Inneren - denn die jeweilige Rolle kann sich ständig ändern. Moderne Quartiere öffnen sich folglich zu allen denkbaren Seiten hin und bauen architektonische Hürden für Menschen, Dienstleistungen und Waren bewusst ab, da sie sich selbst als Bestandteil der Stadt und nicht mehr als abgeschlossene Einheit verstehen.