Autogerecht? Menschengerecht!
Von Norman Schaaf, COO Cells Group
Die ‚Charta von Athen' bestimmte lange die Stadtplanung. 1933 in Athen beschlossen, erhob sie die ‚funktionale' und ‚autogerechte' Stadt zum Maß aller Dinge: Wohnen, Büros, Einzelhandel und Gewerbe sollten streng getrennt nebeneinander existieren - verbunden durch komfortable Straßen. Doch das 21. Jahrhundert verlangt neue Ansätze. Denn die Zukunft wird anders. Wachstum und dadurch schrumpfende Freiflächen, Verkehrswende, Digitalisierung und Klimawandel: Die Liste der Herausforderung, die sich in heutigen Städten stellen, ist lang.
Und sie wird länger werden. Wer heute Quartiere plant, muss deshalb vorausschauend agieren und mögliche künftige Veränderungen antizipieren. Zentrales Motiv sollte dabei die Ausrichtung am Menschen sein - ohne das möglichst reibungslose Nebeneinander unterschiedlicher Funktionen zu vernachlässigen. Im Folgenden drei Thesen zu urbanen Quartieren im frühen 21. Jahrhundert:
1. Wohnen, Arbeit und Freizeit finden Platz rücken näher zusammen
‚Gemischt genutzte Quartiere' sind schon seit einigen Jahren ein Buzzword der Stadtplanung. Doch was genau heißt das? Und wie lässt sich dieses Prinzip mit Leben füllen? Nicht selten setzt sich der
Eindruck durch, Planer und Investoren versuchten dies mit möglichst geringem Aufwand. Doch die Mischung aus alten architektonischen Konzepten und kosmetischen Anpassungen lässt mehr offene Fragen,
als sie Antworten liefert: Kann man etwa schon von einem gemischten Quartier sprechen, nur weil Bürogebäude durch ein Hotel und Gastronomie ergänzt werden?
Lesen Sie auch
Die Antwort lautet nein. Urbane Räume sollten im Zeitalter der Digitalisierung genauso viele Funktionen zusammenbringen, wie es im Virtuellen schon längst geschieht. Morgens erst den Nachwuchs zur Kita bringen und anschließend zur Arbeit, in der Mittagspause im Fitnessstudio für Ausgleich sorgen, danach gesund essen und am Abend ins Theater - meistens sind die Fixpunkte des Alltags heute noch über die Stadt oder zumindest den Stadtteil verteilt. Das kostet die Menschen wertvolle Zeit und erhöht den Stresslevel. ‚Gute' Stadtplanung sollte sich deshalb daran orientieren, den Menschen möglichst kurze Wege zu ermöglichen.