Tourismus in der Krise
TUI-Pleite vorerst vom Tisch - doch der Weg ist noch weit
Die Zahlen sind tiefrot, doch Europas größter Reisekonzern TUI blickt vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Zur Beruhigung der Lage dürfte auch ein neuer staatlicher Milliardenkredit beigetragen haben. Die im April gewährte KfW-Kreditlinie von 1,8 Milliarden Euro wird um 1,05 Milliarden Euro aufgestockt. Die Börse reagierte zunächst positiv und die TUI-Aktie gewann zeitweise bis zu 20 Prozent hinzu. Zum Wochenende sackte der Kurs jedoch wieder ab.
Von April bis Juni stand das Tourismus-Geschäft so gut wie still, der Umsatz von TUI brach um 98,5 Prozent ein. Tuifly-Flugzeuge blieben am Boden, und die hauseigenen Kreuzfahrtschiffe im Hafen. Das Quartal endete für die Hannoveraner mit einem Verlust von 1,4 Milliarden Euro. Im aktuellen Quartal sollen zumindest die Betriebskosten wieder gedeckt werden können, erklärte Konzernchef Fritz Joussen am Donnerstag.
Die jetzt genehmigte Aufstockung des Staatskredites wird TUI auch in den kommenden Monaten das Überleben sichern, glaubt Wolfgang Donie, der das Unternehmen für die NordLB beobachtet. „Die frische Liquidität sollte selbst in einem Negativszenario – mit weiteren Reisebeschränkungen – ausreichen“, so Donie gegenüber wallstreet:online. „Vielleicht braucht TUI das Geld also gar nicht, doch man hat es für alle Fälle in der Hinterhand.“
Auf dem Höhepunkt der Krise verlor das Unternehmen Schätzungen zufolge bis zu 500 Millionen Euro monatlich. Seitdem das Reiseprogramm im Juni wieder angelaufen ist, habe es 1,7 Millionen Buchungen gegeben, so TUI-Chef Joussen. Auch die Buchungen für 2021 seien vielversprechend. „Momentan läuft das Sommergeschäft, wenn auch auf niedrigem Niveau. Das könnte helfen, damit in diesem Quartal keine weitere Liquidität abfließt“, meint NordLB-Experte Donie.
Die Analysten der Berenberg Bank sind dagegen deutlich skeptischer, was die finanzielle Lage des Reiseveranstalters angeht. „Die Buchungen für den Rest der Sommersaison haben TUI unterstützt, aber wir sind der Ansicht, dass die Reaktion der Kunden verhaltener war als erwartet“, heißt es in einem aktuellen Report. „Wir sind zunehmend besorgt über die Schulden von TUI. Eine Anleihe von 300 Millionen Euro wird im Oktober 2021 fällig. Wenn die Anleihe nicht refinanziert werden kann, werden die KFW-Darlehen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro vorzeitig und nicht mit der vorgeschriebenen Laufzeit von 2022 fällig“, heißt es weiter.
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Eine Prognose für das laufende Jahr wollte TUI vorerst nicht abgeben. Bis 2022 solle sich das Geschäft langsam wieder normalisieren heißt es von Unternehmensseite. Doch Prognosen, wie sich die Branche in Zukunft entwickelt, seien derzeit schwierig, weiß Analyst Donie. „TUI will nächstes Jahr 80 Prozent der Vorkrisenkapazität erreichen. Das ist nicht wenig, je nachdem wie die Pandemie sich entwickelt, kann es besser oder schlechter laufen.“
Für TUI spreche, dass man im globalen Tourismus ständig mit Ungewissheiten zu kämpfen habe, meint Donie. „Irgendwo gibt es immer eine Krise. Als Reiseveranstalter ist TUI daher zu einem gewissen Grad krisenerprobt. Bevorzugt werden sicherlich zunächst die eigenen Hotels belegt werden. Wenn es besser läuft, können weitere Kapazitäten bei externen Partnern gebucht werden.“
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Bereits seit Mai ist außerdem klar, dass jede neunte Stelle – rund 8000 Jobs – wegfallen soll. Angesichts der jetzt fließenden Staatshilfen ist das nicht unumstritten. Die Dienstleistungsgewerkschaft verdi fordert vom Bund, der „sozialen Verantwortung für die Beschäftigten der Tuifly in Deutschland gerecht zu werden.“ NordLB-Analyst Donie hingegen glaubt, dass auch ohne Corona-Krise Arbeitsplätze wegfallen würden. „Die zunehmende Digitalisierung wird über kurz oder lang die Effizienz erhöhen, auch zulasten von Arbeitsplätzen. Die Corona-Krise könnte diese Entwicklung beschleunigen.“
Dank der staatlichen Milliardengarantien scheint die Existenz von TUI vorerst gesichert. „Langfristig dürfte TUI aus der Krise als gestärktes Unternehmen hervorgehen. Schlanker und effizienter als bisher“, so Analyst Donie.
Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion