USA vor der Wahl
Trump oder Biden? Die Börse hat schon einen Favoriten – Was für Anleger jetzt wichtig wird
In kaum einem Land hat die Corona-Pandemie so hart zugeschlagen wie in den USA. Präsident Donald Trump könnte sein umstrittenes Krisenmanagement nun das Amt kosten. Die Aktienmärkte scheinen sich jedenfalls schon auf einen Wahlsieg des demokratischen Herausforderers Joe Biden einzustellen. „Die Märkte freunden sich damit an, dass es zwar Steuererhöhungen geben wird, doch zunächst wird es ein Fiskalpaket geben. Und das dürfte zu starkem Wachstum führen“, sagte Afsaneh Beschloss, Chefin der Investmentfirma Rockcreek Group, gegenüber Bloomberg.
Die Börse, so scheint es, hat die politisch turbulente Amtszeit Trumps schon abgehakt und blickt nach vorn. Und das, obwohl die vergangenen vier Jahre für Aktionäre überaus erfolgreich waren. Christoph Frank, Fondsmanager von pfp-Advisory glaubt, dass sich der Einfluss des Weißen Hauses auf die Aktienmärkte in Grenzen hält. „Es weiß schließlich niemand, ob die Börsen in einem Paralleluniversum mit Hillary Clinton wesentlich anders gelaufen wären. Meine Vermutung: Groß wären die Unterschiede nicht gewesen. Corona hätte es auch unter einer Präsidentin Clinton gegeben, vielleicht wäre das Krisenmanagement unter ihr etwas besser gewesen. Den Absturz und anschließenden Anstieg im Frühjahr 2020 hätte es aber wahrscheinlich auch in diesem Paralleluniversum gegeben“, erklärt Frank im Gespräch mit wallstreet:online.
„Was sich Trump aber auf jeden Fall auf die Fahnen schreiben kann: Er hat wie angekündigt eine unternehmensfreundliche Steuerreform durchgezogen.“ Trump hatte die Unternehmenssteuern von 35 Prozent auf 20 Prozent gesenkt. „Das hat der Wirtschaft, den Arbeitnehmern und den Börsen sicherlich phasenweise geholfen. Letztlich sind im aktuellen Umfeld aber die Notenbanken wichtiger für die Börsenentwicklung als die Politiker, das war früher ja teilweise durchaus anders.“
Im Zweiparteiensystem der USA setzen die Demokraten in der Regel auf mehr Staat und höhere Steuern für Gutverdiener. Republikaner präsentieren sich gerne als das wirtschaftsnahe Gegenstück. Fondsmanager Christoph Frank hat sich die Renditen des Dow-Jones-Index im historischen Vergleich angeschaut und festgestellt: Unter einem demokratischen Präsidenten lief es an den Aktienmärkten mit einer jährlichen Rendite von 7,6 Prozent deutlich besser als unter einem republikanischen Commander-in-Chief (3,6 Prozent jährlich). „Klar ist: Die Korrelation gibt es empirisch definitiv. Aber gibt es auch eine Kausalität? Darüber könnten wir tagelang diskutieren“, so Frank.
Auch wenn Präsident Trump seinen Gegenspieler gerne als Sozialisten verteufelt, der das Land zu Grunde wirtschaften wird: Die Programme beider Parteien ähneln sich. Bidens Wirtschaftsplan sieht beispielsweise vor, die von Trump gesenkten Unternehmenssteuern wieder auf 28 Prozent anzuheben. „Im Fall Demokraten versus Republikaner scheinen mir die Unterschiede graduell zu sein, denn beide agierten in ihrer langen Historie relativ wirtschaftsfreundlich.“
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Während die Umfragen derzeit also klar auf einen Machtwechsel hindeuten, sind die Zeichen für Börsianer weniger eindeutig. Pfp-Chef Frank rät Anlegern, die unterliegenden Trends der Wirtschaft im Blick zu behalten. „Anleger können sich folgende Frage stellen: Ist zu erwarten, dass das derzeit vorherrschende Paradigma – für mich ist das die Digitalisierung – sich durch die US-Wahl ändern wird? Ich persönlich denke: nein. Folglich dürften die Unternehmen, die von der Digitalisierung profitieren und die vernünftig bewertet sind, auch nach der US-Wahl stärker gefragt sein als die Digitalisierungs-Verlierer. Corona hat diesen Trend übrigens noch einmal verstärkt. Dass ein Präsident Joe Biden mehr regenerative Energien fördern dürfte und für eine Verschärfung der Waffengesetze steht, dürfte Anlegern nicht erst nach der Wahl auffallen.“
Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion