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    Buchtipp  5205  0 Kommentare Anmerkungen zu Sahra Wagenknechts Streitschrift

    Sahra Wagenknecht. Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2021.

    Als ich Wagenknechts Buch las, sah ich meine eigene politische Entwicklung im Geiste vorüberziehen. Sie war früher die Frontfrau der „Kommunistischen Plattform“ in der PDS, und ich war als Schüler Kommunist und Anhänger der KPD/ML. Dass ich mich vom linken Denken abwendete, vollzog sich in Etappen. In der ersten Etappe – ich war damals Student - sah ich mich durchaus noch als Marxist und als Linker, aber ich hatte meine Positionen zu den Themen Einwanderung und Nation geändert. Ich war in dieser Zwischenphase also zugleich links, national und gegen Multikulti. Das brachte mich in Konflikt mit meinen Genossen – und schon damals gab es die linke Intoleranz gegenüber Abweichlern, auch wenn Begriffe wie „Cancel Culture“ noch nicht existierten. Die Auflehnung gegen linke Sprachverbote und Tabus war der nächste Schritt, der mich, schon aufgrund meiner antiautoritären Reflexe, von meinen linken Genossen entfremdete. Doch bis ich dann ein dezidierter Anhänger des Kapitalismus wurde, dauerte es bestimmt noch zwei weitere Jahrzehnte.

    Sahra Wagenknecht hat offenbar seit Jahren einen ähnlichen Prozess durchgemacht, der sie ein ganzes Stück weit von ihren Genossen entfremdet hat. Aber der Religion des Antikapitalismus, den ich in meinem Buch „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“ als identitätsstiftende Gemeinsamkeit der Intellektuellen analysiert habe, hat sie deshalb keineswegs abgeschworen. Das ist typisch für Intellektuelle, die sich von der linken Ideologie verabschieden: Sie ändern ihre Meinung zu vielen Themen, aber der Antikapitalismus bleibt. Warum dies so ist, habe ich hier begründet: Zum Beitrag.

    Für den Nationalstaat und Begrenzung der Zuwanderung

    Ein wichtiges Thema in Wagenknechts Buch ist die Kritik am „Abgesang auf den Nationalstaat“ (S. 227) und für mehr nationalstaatliche Souveränität. Sie ist eine Europäerin, aber sie wendet sich gegen absurde Thesen wie die, dass die EU ein „unerlässlicher Friedensgarant“ sei (S. 232) – eine These die in Deutschland sehr beliebt ist.

    Auch der immer wieder von deutschen Politikern wiederholten Parole, große Probleme ließen sich am besten stets nur europäisch oder gar global lösen und nicht im nationalstaatlichen Rahmen, widerspricht sie. In der Corona-Debatte wurde von der politischen Klasse in Deutschland vehement vor „Impfnationalismus“ gewarnt. Man plädierte für eine „europäische Lösung“, die sich jedoch, so Wagenknecht, „vor allem durch das von ihr angerichtete Chaos“ ausgezeichnet habe (S. 229). Die Vorstellung, dass eine Regierung zuerst an die eigenen Leute denken sollte, ist der Mehrheit der Politiker und erst recht der Intellektuellen hierzulande fremd. Wagenknecht sieht das anders: „Für Menschen, die sich an Gemeinschaften orientieren, ist ihre Familie nicht irgendeine Familie, ihre Heimatregion nicht irgendein Landstrich und ihr Land etwas anderes als andere Länder. Deshalb fühlen sich Staatsbürger des eigenen Landes enger verbunden als Menschen, die woanders leben...“ (S. 220)


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Buchtipp Anmerkungen zu Sahra Wagenknechts Streitschrift Sahra Wagenknecht. Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt, Campus Verlag, Frankfurt/New York 2021.

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