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     2885  0 Kommentare Wo stehen wir im Konjunkturzyklus? - Seite 3



    Zudem hat nach dem offenen Ausbruch der Finanzkrise ein Run auf Anleihen eingesetzt, der die 10-jährigen Renditen in den USA bis unter 2,4 % im Oktober 2010, im Januar 2009 sogar bis auf 2,2 % herunterzog. Finanziert wurde das durch Hilfsprogramme der Notenbanken, die Regierungen verschuldeten sich und legten keynsianische Stützungsprogramme auf.

    Die Unternehmen haben auf die kollabierenden Aufträge und Umsätze mit weitgehenden Kosteneinsparungen reagiert. Abgefedert durch die massiven Hilfsprogramme bewegten sich Aufträge und Umsätze rasch wieder aus dem Tal heraus. Zusätzliches Personal wurde jedoch kaum eingestellt, die Kosten blieben auch sonst unter scharfer Beobachtung. Hierdurch erholten sich die Margen sehr stark, die Unternehmensgewinne explodierten.

    Die Hilfsprogramme waren auf einen Zeitraum von 12 bis 18 Monate angelegt. Jetzt sind mehr als zwei Jahre vergangen, die Realwirtschaft hat sich erholt. Die Hilfsprogramme sind nicht ab-, sondern eher noch aufgebaut worden, laut Fed und anderen Notenbanken kann die Wirtschaft immer noch nicht ohne extrem niedrige Zinsen zurechtkommen. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin zu hoch für einen selbstragenden Aufschwung, viele Staaten haben keine Finanzreserven mehr.

    Die Fed wünscht sich in dieser Situation ganz offen Inflation herbei. Auch in Europa zeigt der untergehende Stern von Bundesbank-Präsident Weber als Kandidat für die Nachfolge von EZB-Chef Trichet, dass „Zinsfalken“ nicht erwünscht sind, die Unabhängigkeit der EZB von der Politik schon gar nicht.

    Bleiben die Leitzinsen auf dem jetzigen niedrigen Niveau, kann die Inflation über Zweitrundeneffekte alsbald eine Eigendynamik entwickeln – nach dem Motto „die Geister, die ich rief, wird’ ich nicht mehr los.“ Werden die Leitzinsen jetzt erhöht, kann das den labilen Aufschwung der Realwirtschaft abwürgen, in jedem Fall löst es einen rasanten Abverkauf von Anleihen aus.

    Der könnte aber auch so kommen: Die reale Verzinsung in den USA, Deutschland und China ist mittlerweile negativ. Das steht viel weniger im Fokus der breiten Anlegerschaft als die guten Unternehmensergebnisse, die landauf, landab öffentlich breit getreten werden. Da die Notenbanken einen geordneten Übergang zu einem höheren Zinsniveau nicht bewerkstelligen können oder wollen, droht die Gefahr, dass die Finanzmärkte selbst diese regulierende Rolle selbst übernehmen.
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    Klaus Singer
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    Verfasst von Klaus Singer
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