Egbert Prior: BMW bremst Volkswagen aus

Der Bieterkampf um SGL Carbon hat ein neues Stadium erreicht. Wie wir in der Prior Börse vom 21. Oktober spekulierten, stieg BMW mit einem 15%-Paket bei den Wiesbadenern ein. An den übrigen Besitzverhältnis hat sich zuletzt nichts geändert: Mit 29% bleibt BMW-Großaktionärin Susanne Klatten größte Anteilseignerin, Volkswagen hält 10%, der Maschinenbaukonzern Voith 9%, der Rest ist breit gestreut. Spannend die Frage, ob die Börsenaufsichtsbehörde ein gemeinsames Handeln (acting in concert) von Klatten und BMW unterstellt, dann wäre nämlich ein Übernahmeangebot fällig. SGL und BMW haben bereits in den USA in einem Gemeinschaftsunternehmen eine Fabrik errichtet, die Karbonfasern produziert. Dieser innovative Werkstoff (halb so schwer wie Aluminium, aber doppelt so hart wie Stahl) gilt als Schlüsseltechnologie für den Automobilbau der Zukunft. Insbesondere Elektroautos werden ohne eine erhebliche Gewichtsreduzierung nicht auskommen. Schon 2013 möchte BMW mit dem i3 ein eigenes Elektromobil auf den Markt bringen. Leichtbauteile sind aber auch für die Flugzeugindustrie und bei Windkraftanlagen gefragt. SGL Carbon hält damit eine Schlüsselstellung in wichtigen Industriezweigen, nur wenige andere Unternehmen, wenn überhaupt, dürften in der Lage sein, Karbonfasern im großindustriellen Maßstab zu produzieren. Freilich ist das noch Zukunftsmusik, Karbonfasern bringen derzeit außer ein paar Millionen Verlust noch nichts ein. Doch das etablierte Kerngeschäftsfeld mit Graphitelektroden für die Stahlindustrie brummt. Nach 9 Monaten zog der Konzernumsatz um 12% auf gut 1,1 Milliarden Euro an, der Gewinn legte um 30% auf 57 Millionen nach Steuern zu. Das sehr sportliche KGV von 36 reflektiert vor allem die Phantasie des Zukunftswerkstoffs Karbonfaser.