Insiderwissen im Streik
Interessenskonfikt? Verdi-Verhandlungsführerin Kocsis zugleich Post-Aufsichtsratsvize
Die Deutsche Post wird von der Gewerkschaft Verdi bestreikt. Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Tarifauseinandersetzung ist zum einen die Ausgliederung von Paketboten durch die Neugründung regionaler Tochtergesellschaften. Zum anderen warnt Verdi zugleich vor einer Ausgliederung der Briefsparte, denn der Schutz vor dem so genannten Outsourcing endet zum Jahresende.
Doch was macht eine hochrangige Gewerkschaftsfunktionärin die in dieser Funktion den Streik gegen ein Unternehmen führt, in dessen Aufsichtsrat sie selber sitzt? So bei der stellvertretenden Verdi-Vorsitzenden Andrea Kocsis, die wegen ihrer Doppelrolle als stellvertretende Aufsichtsrats-Vorsitzende und Verhandlungsführerin im Tarifkonflikt bei der Deutschen Post in der Kritik steht.
Insiderwissen für einen effektiveren Streik?
Laut Aktiengesetz sind Aufsichtsräte dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Als Verhandlungsführerin führt Kocsis jedoch einen unbefristeten Streik gegen die Deutsche Post. Aktionärsschützer und Juristen sehen darin einen Konflikt mit den Empfehlungen des Corporate Governance Kodex zur guten Unternehmensführung. "Die Grenze verläuft dort, wo Insiderwissen aus dem Aufsichtsrat genutzt wird, um einen effektiveren Streik zu führen", sagte Stefan Siepelt, Professor für Wirtschaftsrecht an der Rheinischen Fachhochschule Köln, gegenüber der „WirtschaftsWoche".
Aufsichtsratsposten ruhen lassen?
Marc Tüngler, Mitglied der Corporate Governance Kommission und Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) fordert Kinder „WirtschaftsWoche“: "Frau Kocsis sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob sie ihren Posten nicht besser ruhen lassen sollte.“
Andrea Kocsis sieht die Kritik als unbegründet an. "Ich bin von den Arbeitnehmern im Konzern gewählt, um ihre Interessen zu vertreten", sagte sie dem Blatt. "Diese Funktion kann ich sowohl als Verdi-Verhandlungsführerin als auch als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende wahrnehmen. Es liegt auch im Unternehmensinteresse, dass Betriebsfrieden herrscht."